Mittwoch, 14. August 2019

Kurven und Kehren satt

Die Kammer ist brühwarm, das einzige Dachfenster läßt sich nicht öffnen. Das Haus ist sehr hellhörig, Treppe und Fußboden knarzen gewaltig und alle Zimmer sind belegt; viele kleine Kinder sind dabei, dementsprechend erholsam war die Nacht, die um 8 Uhr zu Ende ist. Für 5 € gibt es Frühstück, das ich heute gerne zu mir nehme.
Der Regen hat bis tief in die Nacht angedauert. Jetzt ist es von oben trocken, aber die Straßen sind noch nass und der Himmel sieht nicht sehr vertrauenswürdig aus. Verschwitzt besteige ich dann die Lisl und mache mich auf die Suche nach dem Tatzelwurm. Ich stelle fest, dass ich diese Straße in meinen über 40 Jahren Moped-Erfahrung noch nie gefahren bin! 2 € Maut soll ich bezahlen, aber das ist sie mir allemal wert! Herrlich schängelt sich sich am Bach entlang durch den Wald. Ein Abstecher zum Sudelfeld hinauf bietet einen herrlichen Kurvenspaß. Theoretisch. Denn aufgrund von vielen Motorradunfällen wurden in allen Kurven Querrinne mit weißem Asphalt eingebaut. Das steigert meiner Ansicht nach besonders bei Nässe die Sturzgefahr enorm. So zockel ich also mit knapp 40 dahin.

Knollige Wolkenberge verteilen sich über den türkisblauen Himmel. Sie krallen sich an den Berggipfeln fest, aber die Sonne gewinnt doch die Oberhand. Die angestrahlte Seite der Wolken leuchtet watteweiß, jedoch der Blick von unten läßt ihren regengrauen Inhalt erahnen.

Soll ich meinem Navi glauben? Es lotst mich scheinbar in eine Hoteleinfahrt. Aber auch wieder hinaus! Ein herrliches Wegchen abseits der Hauptstraße hat es da entdeckt. Immer wieder finde ich mich in einem Bauernhof wieder und jedesmal geht es dann doch weiter. Steil hinauf in tollen Kurven. Einspurig und ganz steil. Unerwartet steht ein Traktor mitten auf dem Weg und lädt Bäume auf; die Lisl kann sich daran vorbeidrücken. Un dann entdecke ich eine Quelle, die aus einem schön geschnitzten Fisch sprudelt. Lohnt sich, anzuhalten. Erst dann finde ich heraus, dass die kleine Hütte nebendran eine Kapelle ist! Sie ist offen, drinnen ist ein kleiner Altar und ein paar große geschnitzte Figuren. Das Kirchlein ist maximal 2,50 m, lang, auf jeder Seite des Mittelgangs finden sich 3 "Bänke". Jede etwas 1,5 Stühle breit. Was es nicht alles gibt!


Kurven und Kehren satt! Das nächste Erlebnis ist die Zillertaler Höhenstraße, ebenfalls einspurig. Und mautpflichtig. Diesmal sind es 5 €. An jeder Ein- oder Ausfahrt wacht eine kurzgeschorene Blondine mittleren Alters über die Kasse. Ein Geheimtip, dieses Sträßchen? Leider fürt die Straße in die falsche Richtung, so dass ich sie bald verlassen muss. Nun muss ich Kämpfe mit meinem Navi ausfechten, denn es kennt nur "kurz" oder "schnell" aber nicht "schön" und so will es mich immer wieder auf die Hauptstraßen locken. Ich gewinne.

Der Gerlosspass, die alte Straße, ist ein Traum! Und meine Lisl ist ein Schatz! Gemütlich kraxelt sie durch die Kehren um anschließend zuverlässig und ohne Aussetzer aus dem Drehzahlkeller hochzuziehen.



Die Temperaturen spielen sich heute zwischen 12 und 22 Grad ab - perfekt! Außer am Großglockner, da sinken sie auf 6 Grad. Es scheint kürzlich geschneit zu haben, ganz oben auf der Edelweißsptize (am Bikertreff) liegt etwas Schnee. Neben mir parkt ein Russe, der meine Lisl aufmerksam betrachtet. Vom Kilometerstand macht er dann sogar ein Foto - meine Lisl sei wohl der Großvater seiner BMW. Übrigens sind schätzungsweise 3/4 alle hier herumfahrenden Mopeds Gummikühe (also BMWs).
Der Großglocker ist eine Enttäuschung. Ja, ich war schon mal dort, aber das Gefühl ist heute ein anderes. Abgesehen von der horrenden Maut (26,50 €!) gibt es nur gerade Strecken oder enge Kehren. Keine 3/4-Takt-Kurven. Und es stinkt! Gummi oder heißen Bremsen. Die ganze Strecke entlang.
Zurck im Tal, Richtung Lienz, findet mein Navi die eine oder andere nette Alternative zu den großen Verkehrs- und Touristenströmen. Das lob ich mir, es macht wieder Laune!

Zum Stallersattel führt eine gute aber wenig befahrene Straße entlang eines Baches. Das klare blaue Wasser sprudelt über die Felsen und Steine gegen das Licht der sinkenden Sonne, es ist eine Pracht.


Hinter mir rauscht der Wasserfall, vor mir liegt der See, ich sitze auf einem Bänkchen. Ein hübsches Übernachtungsplätzchen am Staller Sattel habe ich da gefunden. Verstreut stehen auch einige Wohnmobile, also bin ich nicht ganz alleine. Trotzdem ein "einsames" Plätzchen. Die Gipfel ringsum zeichnen sich scharf gegen den Abendhimmel ab, einige Bergspitzen leuchten noch im letzten roten Abnedlicht. Es wird frisch und ich verziehe mich bald ins windgeschützte Zelt. Als ich mich gegen 11 Uhr abends schlafen lege, nähert sich die Temperatur bereits dem Gefrierpunkt, brrr.


Am Abend zeigt mein Tacho eine mickrige  Durchschnittsgeschwindigkeit von unter 50 km/h (ohne Pausen) an: Tatzelwurm, Zillertaler Höhenstraße, Gerlosspass, Großglockner, Staller Sattel.

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