Sonntag, 1. September 2019

Ende und aus

Ich habe heute Nacht Unterschlupf bei Josef & Claudia gefunden. Ich habe Josef vor Jahren bei einem Urlaub in den Alpen kennengelernt und wir sind ein Stück zusammen gefahren. Jetzt war ich willkommen und durfte gleich den neuen Pavillon einweihen, den die Beiden gestern aufgestellt hatten. Zusammen haben wir noch einen Mangobaum umgeplanzt und dann haben wir mit Kuchen und Sekt den neuen Pavillon und die neue Sitzgarnitur eingeweiht! Welche Ehre für mich! Es ist spät geworden, darum gab's gestern auch keinen Blog. Vielleicht sehen wir uns in Norwegen mal wieder?

Nach einem feinen Sonntagsfrühstück ist unsere Fuhre am Vormittag wieder aufgebrochen. Balduin möchte große Umwege machen - er tut halt, was man ihm sagt: vermeide Hauptstraßen und nimm dann den kürzesten Weg. Aus diesem Grund muss mal wieder der Kurvennavigator ran - er schafft den perfekten Mittelweg zwischen zügigem Vorankommen, verkehrsarmen Wegen und wirklich jeder Kurve, die es in dieser flachen, berglosen Gegend gibt.
Es gibt also nichts Besonderes zu erzählen. Einzig ein Bild belustigt mich: eine weitläufige Wiesenlandschaft, auf der in jeder zweiten Wiese eine Feldscheune steht - wie die Monopoly-Häuschen auf den einzelnen Grundstücken.
Autsch! Das tut weh! Ein Wespenstich am Oberarm, direkt unter der Achsel? Aber wie soll da so ein Viech hinkommen? Ich halte sofort an und reiße mir die Jacke vom Leib. Kein Insekt zu sehen, aber im Arm steckt noch der Stachel - also doch! Viel Spucke drauf und dann am besten ignorieren. Weiter geht's.
Vollsperrung einer Ortsdurchfahrt in einigen Kilometern? Das schauen wir uns lieber aus der Nähe an, bislang gab's da meistens eine Lösung. Diesmal ist wirklich ein Bauzaun über die gesamte Straßenbreite und mittendrin prangt ein fetter Bagger. Keine Chance? Oh, da an der linken Seite ist ein kleiner Durchlass für Fußgänger. Also Lisl, Backen einziehen, schlank machen und durchschlängeln. Klar klappt das! Wusste ich doch.
Laut Navis sind wir bereits am frühen Nachmittag daheim? Das fühlt sich nicht so gut an, darum werde ich noch ein "B'süchle" machen. Bei Freunden im Donaumoos gibt's bei einem Glas Wasser eine nette und angeregte Unterhaltung.
Ca. 16:30 Uhr sind wir dann wieder zu Hause, bei den verwunderten Holzhausbewohnern. Ja, wir sind zu früh - aber die Alpen waren leider schon aus. Alles abgefahren, erfahren, erlebt und viel gelernt. Und viele unterschiedliche Wadln gesehen. Schön war's!

Jetzt sitze ich zu Hause, die Wäsche erhält in der Waschmaschine eine neue Duftnote - ebenso ich unter der Dusche. Die Lisl tankt Strom und erholt sich abgepackt, bis sie morgen hoffentlich etwas gepflegt wird. Auf jeden Fall bekommt sie neue Bremsbeläge, einen neuen Schuh vorne und vielleicht auch einen Ölwechsel (nein, keinen Kette!). Brave Lisl - ist sooooo toll gelaufen! Ich bin sehr stolz auf sie!

Fazit: Endlich wieder mal Freiheit auf 2 Rädern genossen - hatte schon fast vergessen, wie sich das anfühlt. Trotz Strapazen eine Erholung für Körper und Seele!

Kempten - Aschbuch

Die Gesamtstrecke 4521 km

Samstag, 31. August 2019

Wo ist der Pass?

Über Nacht hat sich die gesamte Fauna der Umgebung bei mir versammelt: abgesehen von den Ameisen - Spinnen in allen Farben und Größen, sogar in die Stiefel sind sie eingestiegen; aus den Kleidern springt ein Grashüpfer und im Zelt-Packsack ringelt sich eine Baby-Schlange (ich habe nicht näher untersucht, welche Sorte das war).
Balduin vermeidet - wie gewünscht - soweit möglich die Hauptstraßen. Da die Nebenstraßen aber meist als Radwanderweg ausgewiesen sind, müssen wir sie uns eben mit denen teilen. Das kenne wir ja schon. Dummerweise entpuppt sich einer von Balduins Vorschlägen jedoch als reiner Radweg, aber da ist es schon zu spät und es gibt keinen Ausweg mehr. Bis zum Ende fahren wir ihn, ganz vorsichtig und mit schlechtem Gewissen. Schimpftirade müssen wir uns jedoch nur ein einziges Mal anhören. In der nächsten Ortschaft möchte Balduin mal wieder durch eine Fußgängerzone - dieses Hindernis schaffen wir über kleinste Gässchen und Hinterhöfe.

Heute finde ich sogar einen Bäcker, in einem Supermarkt. Der hat ja richtig große Auswahl - ach ja, wir sind ja in Österreich. Da sollte ich auch mal wieder für wenig Geld tanken. Aber die Tankstelle ist total überfüllt; Lisl, da musst Du noch ein wenig warten. Der Reschenpass stand in der Routenplanung. Aber der kommt und kommt nicht. Die Straße führt in mäßigen Kurven leicht abwärts - das war's also schon? Wir haben "oben" auf dem Pass unbemerkt übernachtet, ach war das unspektakulär.

Gemütlich genießen wir weitere kleine Wege, bis die Lisl Hunger bekommt, da brauchen wir ja jetzt doch eine Tankstelle. Die befindet sich natürlich an der Hauptstraße, die hier eigentlich eher eine Schnellstraße ist. Da wir in falscher Richtung aufgefahren sind, dauert es seine Zeit, bis wir wenden können, dann tanken wir natürlich randvoll und gutgelaunt schleichen uns wieder auf unsere Abwege. Hier geht's uns wieder gut. Bis Landeck läuft es. Der Verkehr wird natürlich dichter, aber es ist noch gerade so erträglich. Die Welt wird einfach zu klein.... Dann möchte ich noch eine Schleife über die Silvretta Hochalpenstraße einbauen. Nach einigen Kilometern dann das häßliche Schild "gesperrt". Mist!

Und jetzt? Welche Kurven können wir denn noch einbauen? Ich habe mich bei einem alten Bekannten angemeldet, der wohnt praktisch auf meiner Route. Aber da kann ich nicht schon am frühen Nachmittag auftauchen. Balduin, sag mir doch noch ein paar Kurven? Flexenpass? Oh ja, der fühlt sich nochmal gut an. Oben ist eine nette kleine Hütte mit Bewirtschaftung. Der Bedienung ist wirklich sehr nett und zuvorkommend, dummerweise bringt er zwar das bestellte Trinken, aber nicht die Suppe. Tja, dann hab ich eben wieder was gespart - freut sich der Schwabe.
Heute morgen kam mir die Fahrzeugschlange entgegen, jetzt bin ich selbst mittendrin. Nichts ist schlimmer, als ein Fahrzeug, hinter dem Du festklebst oder jemand, der Dir im Nacken sitzt. Da kannst Du die Berge, die Landschaft oder die Kurven nicht genießen. Zumal mein Vertrauen in Lisls Vorderradbremse massiv abnimmt. Zu allem Frust müssen diese beiden Ravensburger Cabrio-Zockler jetzt auch noch die selbe Nebenstraße nehmen, die Balduin vorschlägt. Da hilft nur eine Biopause, die den Schleichern genügend Vorsprung gibt, damit wir ungehindert die wunderbaren Kurven genießen dürfen. Egal wie sehr mich der Verkehr nervt, den Duft des frischen Heus, des  Harzes von im Sägewerk wartenden Bäumen oder frischen Holzfeuer kann mir keiner nehmen! Diese Düfte versöhnen mich wieder.

Am späten Nachmittag treffe ich bei Josef & Claudia ein und werde freundlich aufgenommen.


Reschen - Silvretta - Flexenpass - Riedbergpass - Kempten

Freitag, 30. August 2019

Nicht ganz bei der Sache

Ich bin heute nicht ganz bei der Sache. Zum einen habe ich mitbekommen, dass ein Bekannter hier ganz in der Nähe auch mit dem Motorrad unterwegs ist - vielleicht begegent man sich ja zufällig? Und zum anderen sind meine Gedanken immer noch bei einer Hilfsaktion für meine Freundin. Der erste Versuch ist gründlich misslungen! So spulen wir die Kehren hintunter vom Splügen eher gedankenlos ab und ich checke auch viel zu spät, dass das, was da in einem Betonstein des Lawinenschutztunnels sitzt, ein dickes fettes Murmeltier ist. Es läßt sich die Morgensonne auf den Pelz scheinen.
Der Malojapass ist nicht so hoch, bis auf 1800 m steigt er an. Wir fahren Richtung St.Moritz und bewegen uns eigentlich den ganzen Tag zwischen 1600 und 2000 m auf der Höhe. Den Julier lassen wir links liegen, den Abstecher schenken wir uns. Auch hier scheinen wieder Hubschrauber im Einsatz zu sein, was genau sie tun, kann ich aber nicht erkennen. Eine ganze Zeitlang fahren wir zwischen fetten grünen Kuh- und Pferdeweiden hindurch.
Glasklare, blaue Bergseen jeder Größe liegen am Weg, oft verbunden mit einem sprudelnden klaren Bach. Die großen Seen werden auch zur surfen oder anderem Wassersport genutzt - warum auch nicht? Beim Surf-Center gibt es sehr saubere Einrichtungen, für die Surfer, keiner hält mich jedoch davon ab, diese auch zu nutzen. Der Verkehr rollt wie auf deutschen Bundesstraßen dahin, wir haben relativ viel freie Fahrt. Eigentlich ist es ganz schön hier, aber es berührt mich heute nicht so richtig - es "macht" nichts mit mir.
Den Bernina auf 2330 m erreichen wir ganz unspektakulär, neben der Straße krabbelt eine oberleitungsgespeiste Eisenbahn den Pass hinauf. Luft und Temperatur sind ebenfalls einfach nur angenehm.

Nächster ist der Livigno. Bereits beim Einstieg gibt es ein paar sehr interessante Felszinnen, sie sind absolut kahl und ausgewaschen. Sieht sehr ungewöhnlich aus. Oben am Pass mache ich Mittagspause - Brot, Tomaten und Käse der letzten Tage müssen so langsam vernichtet werden. Als ich fertig bin, hält ein Päärchen aus Bochum an und es wird wieder ein paar Minuten Benzin geredet. Unten im Ort ist das Gedränge wieder etwas dichter. Ein Kleinlaster ignoriert mich einfach und schießt aus einer Tankstelleneifahrt heraus. Wir müssen eine Vollbremsung hinlegen - zum Glück ist noch ein kleiner Restbelag auf der Vorderradbremse. Der Lisl bleibt vor Schreck der Motor stehen, was der LKW-Fahrer aber nicht tut. Fröhlich zieht er einfach - trotz Hupens - von dannen. Grrr...
An den Livigno-See erinnere ich mich, da habe ich vor Jahren mal mit einem Bekannten gezeltet. Lange führt die Straße unter einem Lawinenschutzdach direkt am See entlang, dann kommt eine Mautstation, das hatte ich nicht (mehr) auf dem Schirm. 12 € kostet uns der folgende Tunnel.
Ich weiß gar nicht mehr, sind wir gerade in Italien oder in der Schweiz? So oft, wie wir heute die Grenze passieren, kann man ganz schnell den Überblick verlieren. Manchmal ist die Grenze eindeutig, vielleicht sogar besetzt, manchmal kann man sie kaum erkennen und es sind auch weit und breit keine Grenzbeamten zu sehen.

Ofenpass nennt sich die nächste Anhöhe, auf der ich mir an einem kleinen Kiosk ein Stück Kuchen und einen Kakao gönne. Genieße die Sonne und das Faulsein. Auf jeder Toilette ist es eine Herausforderung, herauszufinden, wie der Wasserhahn funktioniert: unsichtbare Sensoren, irgendwo in der Wand versteckte Knöpfe oder sogar unter dem Waschbecken versteckte Hebel. Immer wieder erntet die Lisl interessierte Blicke und als ich mich zur nächsten Etappe aufmache, sprechen mich 2 Italiener anerkennend an. Wie alt, wieviel Kilometer? Da werden sie ganz neidisch, auch wenn eine ihrer Maschinen auch schon 20 Jahre alt ist. Sie hat aber nur ca. 10.000 km auf dem Tacho.

Halb vier Uhr. Umbrailpass und Stilfser Joch liegen jetzt vor uns. Die nehmen wir noch mit, dann ist Feierabendzeit. Das Sträßchen zum Umbrail ist nett, klein, einspurig und kaum Verkehr. Nete Kürvchen und eine Quelle für unseren Wassernachschub.

Das Stilfser Joch (2752 m) ist die Königsdisziplin. Kehren ohne Ende führen hinauf und auch wieder hinunter. Oben herrscht ein schrecklicher Rummel, jede Menge Bratwurstbuden, ja an die erinnere ich mich. Hier bleiben wir nicht lange. 2 junge Burschen auf dem Rad fetzen vor mir den Hang hinunter, einer klebt mir am Hinterrad. In den Kehren machen sie immer Boden gut, aber auch auf den längeren Stücken dazwischen haben sie ordentlich Dampf drauf. Als wir auf einen Omnibus und dahinter noch ein Auto auflaufen, hängen sie mich endgültig ab. Nebenbei flitzt mal wieder ein Murmeltier über den Weg. Ganz unten im Tal hole ich sie gerade noch ein, als sie sich voneinander verabschieden. Ich suche mir ein Plätzchen am Marktplatz, um die weitere Planung zu checken und treffen einen Radler mit einem alten E-bike. Wir plauschen ein wenig. Er schlaut mich auf, dass erstens ab morgen das Wetter schlecht wird und zweitens morgen Stilfser joch und Umbrail gesperrt sind wegen "Radlertag". Aber das haben die hier doch jeden Tag? Na auf jeden Fall - Glück gehabt.

Müde uns ausgelaugt sitze ich nun im Zelt, durch das das Windchen gerne noch blasen darf. Wir haben eine gemähte Wiese gefunden, die zwar fast direkt neben der Hauptstraße liegt (das konstante Rauschen dringt herüber), die aber von dort nicht einsehbar ist. Es gibt auch keine Häuser direkt nebenan, nur Obstplantagen. Gefunden haben Balduin, Lisl und ich das Plätzchen auf einem "Anlügerweg" - aber wenn man hier wohnt (auch nur eine Nacht), dann ist man ja schließlich Anlieger. Gelegentlich rollt ein Fahrradfahrer vorbei. Irgendwie ist die Luft raus und die Lust vorbei. Wir nähern uns langsam Deutschland, das Wetter soll angeblich schlechter werden, zur Not können wir ja in 1-2 Tagen daheim sein.

Maloja - Bernina - Livigno - Ofenpass - Umbrail - Stilfser Joch

Donnerstag, 29. August 2019

Flieger

Kaum war ich gestern abend im Zelt verschwunden, hat es auch schon angefangen zu regnen, und nicht wenig. Später hat noch ein Auto direkt nebendran geparkt, da wurde mir etwas mulmig und ich habe vorsichtshalber das große Klappmesser griffbereit gelegt. War wohl ein junger Kerl, der im Auto geschlafen hat. Als ich am Morgen aufstehe, ist er weg.
Es hat zwar in der Nacht aufgehört zu regnen, jeetzt fängt es aber wieder an. Wie habe ich das früher noch gemacht, Zelt abbauen bei Regen? Früher, als ich noch jung und Königin der Regenmacher war. Heute werde ich dabei ziemlich nass und auch das Zelt muss ich leider klatschnass einpacken.  Zelten, Motorrad fahren und Regen sind keine so tolle Kombination. Auch meine Morgengymnastik fällt dem Regen zum Opfer. Mich selbst packe ich regendicht ein, die Lisl bekommt die Lenkerstulpen montiert, denn es sieht nirgends nach Besserung aus. Allerdings ist es relativ warm, so daß ich bereits unter meiner wasserdichten Hülle klatschnass bin. Die Motorradbrille setze ich bei Regen ebenfalls auf, aber die beschlägt sofort. So tingeln wir halbblind auf nasser Straße mit abgefahrenen Reifen und aufgebrauchten Bremsbelägen dahin. Der von den Autos hochgeschleuderte Sprühnebel verbessert die Laune auch nicht. Villeicht sollte ich beim Universum besseres Wetter bestellen? Aber schließlich brauchen die Wasserfälle, ja auch wieder Nachschub.
Lils bekommt erst noch ihren Kaffee, oder besser gesagt, Benzin. Die Tankstellendichte ist hier erstaunlich hoch, aber wir sind hier ja auch in der DEUTSCHEN Schweiz. Auf Nebenstraßen tingeln wir das Tal entlang, dann passieren wir einen Flugplatz. Mitten über die Landebahn kreuzt die Straße! Es gibt nur eine kleine Halbschranke, die vermutlich bei Betrieb die Durchfahrt sperrt. Kann ja aber wohl nie lange sein, denn hier starten und landen Düsenjäger - die sind ja schnell.

Als erstes steht heute der Grimselpass (2170 m) auf der Agenda. Bereits bei den ersten Kehre wird es trocken - wie schön! Als erstes fliegt die Motorradbrille weg, etwas später entferne ich die Lenkerstulpen. Den Regenanzug behalte ich noch ein Weilchen an, ich bin darunter immer noch feucht und es geht ein frischer Wind. Auf feinen weiten Kurven und Serpentinen schwingen wir uns hinauf auf den Grimsel. Bei Öl und Luft fehlte der Lisl nichts, aber vielleicht sollte ich mal die Kette wechseln? Ha ha ha!
Vierrädrige Verkehrshindernisse meistert meine liebe Lisl bei den wenigen Chancen, die wir haben, mit kräftigem Antrtitt und sonorem Sound! Es ist einfach herrlich, wie schön sie läuft - wie ein Schweizer Uhrwerk. Wer hätte das gedacht, nach den Erfahrungen, die wir in Südamerika gemacht haben? Als ich jeden Tag beten musste, dass sie auch manchmal auf 2 Zylindern läuft? Diese Zndspulenkrankheit scheint sie besiegt zu haben. Anders als ein Päärchen aus Plauen, das eine Zeitlang hinter uns herfährt. Bei einem Fotostop spricht mich die Sozia an und erklärt mir, dass ihr Moped die Höhe nicht so richtig verträgt. Das erinnert mich schon an Peru, Bolivien, Chile. Da hat auch die Lisl so ihre Probleme gehabt. Nicht hier und nicht heute - sie läuft einfach traumhaft! Auf dem Grimsel bietet sich ein herrlicher Ausblick in's Tal und auf die kurvenreiche Straße, nur ist es etwas neblig um die Gipfel und es zieht ein sakrischer Wind.
Grimsel und Furka sind eine nette Kombination. Die Furkastraße schlängelt sich auf über 2420 m hoch aber bei 15 Grad auf der Höhe hält es mich dort nicht lange.

Als nächstes erklimmen wir den Gotthard auf 2100 m. Allenthalben wird die ohnehin nicht schlechte Straße repariert und erneuert. Abwärts tuckern wir dann ganz gemütlich und stressfrei auf der alten gepflasterten Gotthardstraße, zwischen deren Pflastersteinen  schon das Gras wächst. Nichts für meinen HfMf-Freund! Mann-o-mann, muss das eine Sträflingsarbeit gewesen sein, diese Straße zu bauen! Die Abrollgeräusche der Auto- oder Motorradreifen sind auch nicht zu verachten. Auf der Gotthard-Autobahn nach Norden steht mal wieder die Blechschlange kilometerlang.
Die meisten Kühe auf den Weiden sind ja echt. Aber im einen oder anderen Vorgarten steht auch mal ein Plastik-Exemplar. Die Kuhfladen auf den Straßen davor sind allerdings echt - wie sie das nur schaffen?

Zum Mittagessen gibt es mangels Bäckerei eine riesige Pizza in der Gartenwirtschaft einer netten Osteria - trotz des großen Tellers ragt sie bestimmt auf jeder Seite noch 3 cm über den Tellerrand hinaus. Und sie schmeckt! In der Mitte viel Käse und außen ein knuspriger Rand! Das gibt ein Mittagsloch! Da retten mich nichtmal die 2 Cola davor - das einzige was ich davon habe, sind Bauchschmerzen.
Ein Stück weit müssen wir noch im Tal bleiben und den größeren Straßen folgen. Das passt ganz gut zum Mittagstief, da bekomme ich sowieso nicht soviel mit.

Was Balduin gar nicht kann, ist mit Sperrungen und Umleitungen umgehen. Und das gibt es hier einige. Nun stehen wir am Fuß des Lukmanierpasses vor einem großen Sperrschild. Oh je, das bringt unsere ganze Planung durcheinander - so gerne hätte ich diesen Pass noch mitgenommen. Lange brütwen wir über einer Alternatrive, dann entsließen wir uns, den San Bernardino zu fahren. Ein Zeichen? In memoriam an Bernhard, meinen lieben und guten Freund erklimmen wir diesen Pass ebenfalls auf der "alten" Straße und meiden die Autobahn. Holzfällarbeiten sind angeschrieben. Niemand hat uns jedoch verraten, dass dafür Hubschrauber eingesetzt werden!? Direkt neben der Straße steht einer mit laufendem Rotor. Was der wohl hier tut? Ob der Holz ins Tal fliegen soll? Eine Kehre höher schaue ich hinunter auf den Platz, da hat der Flieger aber schon abgehoben und taucht direkt neben meiner Nase wieder auf. Ohne Ladung.
Auch ein sehr schöner Pass, der San Bernardino. Oben ist Naturschutzgebiet, zelten und Wohnmobile sind verboten. Aber es ist ja sowieso noch etwas zu früh.

Den Splügen? Ja, den packen wir heute noch. Es ist 17 Uhr, noch ca. 1/2 Stunde Fahrtzeit. Und dann werden wir einen Schlafplatz suchen. Den Splügen? Ja, ich glaube, den bin ich schon einmal gefahren, vor über 30 Jahren. Damals mit meinem "Langholzlaster", einer XV 750 von Yamaha, einem Softchopper. Das müßte zwischen 1982 und 1987 gewesen sein - meine Zeitrechnung orientiert sich an meinen Motorrädern. Ich weiß noch, wie ich das Teil um die Kehren herum manövriert habe - mühsam. Ob wir heute eine viel bessere Figur machen in den Kehren? Sollte man meinen, ich bin da aber gar nicht sicher...

Splügen - ich bin oben. Aber was ist das? Nur eine Baustelle! Keine Fahrzeuge, keine Touristen und vor allem keine Grenzstation? Nur ein Schild begrüßt uns in Italien.

Kurz unterhalb der Passhöhe ist mal wieder ein schöner Bergsee. Die Straße führt direkt daran vorbei. Auf der anderen Straßenseite ist ein Wohnmobilstellplatz, eine Sitzgarnitur und ein kleines Fleckchen Gras daneben, genau richtig für mich! Es ist nur wenig Betrieb, also werden mich die wenigen Leute schon nicht stören. Hier gefällt's mir. Die Sonne scheint und ein kleines Lüftchen regt sich. Als erstes werde ich das Zelt aupacken und trocknen, sollte ja bei diesem Wetter hoffentlich schnell gehen. Aber -  damit habe ich nicht gerechnet: die gesamte Nässe von heute morgen hat sich im Packsack gleichmäßig verteilt und Isommatte aber insbesondere den Schlafsack total durchnäßt! Dem tut das gar nicht gut und der trocknet vermutlich auch nicht so schnell. Sehr dumm, da werd ich heute Nacht frieren. Auf jeden Fall werde ich noch jeden Sonnenstrahl zum trocknen nutzen. Laptop schreiben bei Sonnenschein ist sowieso schwierig.
Minunteschnell versinkt die Sonne hinter dem Berggrat und sofort ist es richtig kalt! Ich suche mir ein warmes Plätzchen in einer Bar und genieße einen heißen Kakao, oder fast eher einen Schokoladenpudding, so dick ist der.

Grimsel - Furka - Gotthard - San Bernardino - Splügen

Mittwoch, 28. August 2019

Der Wahnsinn!

Es ist ein guter Schlafplatz, keiner will etwas von mir. Es ist gut, dass ich mit dem Zeltaufbau nicht zu lange gewartet habe, es fängt nämlich bald an zu regnen. Nur ein Nieselregen, aber das dauerhaft. Ich schlafe tief und gut und bemerke nicht, wie der Regen aufhört. Am Morgen werde ich jedoch bereits um 6 Uhr geweckt, direkt neben mir wird die Kuhherde auf die Weide getrieben. Circa 50 Kühe, und jede hat eine große Glocke um den Hals - na wenn man davon nicht wach wird...
Mein neuer Schlafsack hält leider in keinster Weise, was er verspricht. Die Kälte zieht hinein und dabei haben wir noch lange keine frostigen Temperaturen!

Zurück nach Martigny. Wir  schaffen es, durch Fußgängerzonen und Industriegebiet dem Hauptverkehr zu entkommen. Direkt im Anschluß umrahmen uns wieder herrlich rote Apfelplantagen - diesmal nehme ich 4 Äpfel mit, auch wenn ich dafür etwas in die Höhe hüpfen muss. Die kleine Nebenstarße verläuft zwischen einem Kanal und dem zugehörigen Altwasser, auf einem Damm. Das ist eine nette Abwechslung. Der Kanal ist aber nicht langweilig, so wie ich das kenne. Er führt sehr viel Wasser, das über noch mehr große Felsen fließen muss. Die Felsen sind nicht sichtbar, aber die Wellen, Wirbel und Rückströmungen des Wassers sehr wohl. Elegant vermeiden wir dichten Verkehr und Menschenmassen auf unseren Nebensträßchen und Wirtschaftswegen.

Und dann kommt's! Ein Nebensträßchen zweigt vom Nebensträßchen ab. Ein verwunschenes Wegchen im schroffen Tal und dunklen Wald. Hier wird oder wurde irgendein Erz abgebaut, einige Einrichtungen sind noch vorhanden. Ein Wildbach gischtet schäumend mit milchig-trübem blaugrauem Wasser in die Tiefe. Er hat sich tief in die Felsen gefressen, sie unterhöhlt. Manche Baumwurzel hängt nun in der Luft und hat Moos angesetzt. Das ist der absolute Wahnsinn!!! Aber nicht genug - als sich der Wald öffnet sollen wir abbiegen. Wow! Das sieht aber steil aus - 24% sagt das Schild! Lisl - bist Du bereit? Also, gib alles! Im ersten Gang zieht meine treue Lisl sorgsam den steilen Berg hoch. Das Straßchen führt wieder in den Wald, steil und ungesichert bricht es neben dem Asphalt ab - etwas mulmig wird mir schon. Hier ist Gegenverkehr keine gute Idee! Ein einziges Mal laufen wir auf ein Auto auf, das uns aber sofort an der nächsten Ausweichstelle vorbei läßt. Oben angekommen, landen wir direkt auf Bahnschienen, 20 m weiter ist der Bahnhof, von dem eine junge Frau auf uns zukommt. Der Zug ist schon weg. Aber das war anscheinend immer noch nicht alles - widerum steigt der Weg sehr steil an, bis er endlich eben wird un hoch über dem Tal am Hang entlang führt. Dieses Erlebnis ist wohl nicht mehr zu toppen!

Wieder auf einer "normalen" Straße, beginnt in der nächsten Ortschaft die Eisenbahn. Die Schienen sind in den Asphalt eingelassen, wie bei einer Straßenbahn. Aber auch außerhalb des Ortes verläuft die Bahn auf der Straße und folgt jeder ihrer Kurven. Immerhin ist der Schienenbereich mit einer weißen Linie optisch von der Autostraße getrennt. Lustig.

Am Col de la Croix ist kaum etwas los - ein großer leerer Parkplatz, eine öffentliche Toilette und ein kleines Cafe oder Restaurant. Lust auf eine Suppe hätte ich - die steht auch auf der Tafel. Ein freundlicher älterer Mann bedient mich, stellt sich aber ziemlich linkisch an. Ich vermute, er macht das nur als Aushilfe vielleicht für seine Tochter? Die Küche ist geschlossen - ich kann aber ein Sandwich bekommmen? Vorschnell sage ich zu. Es schmeckt nicht schlecht, aber 2 dicke Scheiben Weißbrot mit Mayonaise, 1 dünne Scheibe Kochschinken und etwas Essiggurke für 6 € ist nicht so mein Ding. Satt macht es auch nicht wirklich.

Abseits von den Skiorten, um die herum Flutlichter und Schneekanonen die Landschaft verschandeln, scheint es auch noch recht ursprüngliche Dörfer zu geben. Gryon zum Beispiel. Ein niedliches kleines Dörfchen, eng, alte Holzhäuschen mit niedlichen Fensterläden und in manchem Gärtchen eine Blumenpracht, deren gemischte Düfte mir zu Kopf steigen. Ja, auch hier gibt es einen Andenkenladen, aber ich kann keine Touristen sichten. 2 alte Weiblein unterhalten sich und ein gesichtsalter Mann verpestet rauchenderweise die Luft im einzigen Straßencafe.  Eine herrliche "Abkürzung" schlägt Balduin da vor.
Ein sehr schmales Wirtschaftswegchen mitten durch die Almen. Kurz unterhalb des Jaunpasses trifft es wieder auf die Hauptstraße. Die restlichen Meter bis zum Pass nehmen wir noch unter die Räder - ein kleiner Abstecher. Der Tourismus hält sich hier in Grenzen, es gibt einen kleinen Käseladen, wo ich nun endlich einen Schweizer Käse kaufe. Der Mann ist sehr freundlich, daher darf er mir auch noch ein Vanilleeis mit heißen Himbeeren kredenzen. Während ich da so in der Sonne sitze, kommen zwei betagtere Biker herüber, betrachten die Lisl und wir reden ein wenig. Ja, die Lisl ist genügsam, aber ab und zu muss man schon was machen. "Ölwechsel, Reifen und Kette wechseln?" fragt einer? Ha ha ha...wir haben Kardan. Von Bern sind sie. Und manchmal machen sie am Werktagnachmittag einen kleinen Ausflug. Gute Fahrt allerseits! Auf dem Rückweg entdecke ich an der Einmündung "meines" Nebensträßchens ein Sperrschild. Auf meiner Seite am Einstieg war keines...! Irgendwie bin ich ausgelaugt - es fährt sich "automatisch".

Schechtes Timing. Vom Jaunpass Richtung Tal finden fahren wir ein Stück "Hauptstraße", die aber heute kaum befahren ist. Eine nette Passstraße. Es ist mitten am Nachmittag und gefühlt kommen wir genau zur Abendzeit in dicht besiedeltes Gebiet. Ich bin sehr gespannt, wo wir heute nächtigen werden. Aber noch genießen wir die Almen, steilen Wiesenhänge mit ein paar vereinzelten Bäumen. Immer wieder mal ein Gehöft, eine kleine Ortschaft oder eine Scheune. Käse und Milch sind gesund, steht auf dem Verpackungspapier, in dem der Käse eingewickelt ist, den ich am Jaunpass gekauft habe. Und so duftet es auch immer wieder - nach gesunden Kühen.

Balduin. Ich gebe ihm mühsam mit einzelnen Wegpunkte die Route ein, die der Kurvennavigator vorschlägt. Die ganze Route könnte ich zwar überspielen, aber damit ist Balduin überfordert. Mehrfach steigt er aus und stellt sich wieder mal tot. Aber wenn er mal läuft, dann macht er seine Sache gut.

Ob man das Alter der Radler wohl an den Waden erkennen kann? Anscheinend nicht, denn manch junge Wade gehört zu einem alten Gesicht und krampfadrige Beine tragen ein junges Gesicht. Ach, da fällt mir wieder ein - dieser Tage habe ich auf den Pässen sogar einen Tretrollerfahrer gesehen! Was es nicht alles gibt. Da muss ich sofort an meine Mutter denken, die - wenn ich mich recht erinnere - als kleines Kind mit dem Tretroller mit Anhänger nach Amerika auswandern wollte. Die verrückte Reiseleidenschaft hat in unserer Familie eben schon Ttradition.

Langsam bekomme ich Hunger. Das Sandwich heute mittag war nicht sehr ergiebig und Eis mit heißen Himbeeren schmeckt zwar super gut, macht aber nicht satt. Eine Bäckerei wäre jetzt toll, sehr selten habe ich bisher eine gesehen. Kaum ist der Wunsch an's Universum ausgesprochen, schon schallt es zurück: "Beck"! Tatsächlich! Eine kleine Bäckerei hält Käse-Specksemmeln und etwas Süßes für uns bereit. So, jetzt braucht die Lisl noch was gegen den Durst und dann müssen wir nach einem Schlafplatz Ausschau halten.
Wie befürchtet erreichen wir den Thuner See kurz nach 16 Uhr. Bis zum Seeufer kommt man nicht, dort verläuft direkt die Eisenbahn. Daneben die dicke Hauptstraße, auf der man einfach nur vorbeirasen kann. Zumindest tun das alle. Bei der ersten Möglichkeit zweige ich ab, der Spaß ist aber nur von kurzer Dauer. Kurz vor wir wieder auf die Hauptstraße einbiegen müssen begegnet uns der Alm-Öhi mit seinem Packesel. Leider ist meine Reaktion zu langsam und ich fotografiere ihn nicht - der war wirklich ein Bild für Götter!

Interlaken - das klingt irgendwie wie Interstate oder Internet oder International. Auf jeden Fall groß und schnell. Nichts für uns. Und natürlich keine Schlafplätze - zumindest nicht für uns. Für reiche Leute schon - jede Menge mehr oder weniger edle Hotels, Fiaker und vornehme Parks. Schnell weg hier. Dem Bielzer See können wir auf der Nordseite folgen, in der Hoffnung, dass hier die Straße gemütlicher ist. Na ja, sie ist genauso breit, aber zum Glück etwas weniger befahren. Und sie führt direkt am Ufer entlang. Die Eisenbahn folgt uns auf der anderen Seite. Ab und zu taucht ein kleiner Parkplatz auf. Ob das was für uns wäre? So dirket an der Straße...? Es ist schon halb 6 Uhr und ich mag nicht mehr. Vor uns liegen noch einige zivilisierte Ecken und das Wasser des Sees sieht schon verlockend aus.

Was soll's, jetzt sitze ich am Bielzer Seeufer auf einem Bänkchen, schaue den Enten und Motorbooten vor mir zu und ignoriere alles, was hinter mir auf der Straße geschieht. Der Ausblich erinnert mich etwas na meinen Fjord in Norwegen. Einmal bin ich hinunter geklettert zum Wasser und habe einen Eimer mit Wasser geholt - zum spülen und waschen. Ich genieße mein Abendessen und richte mich für eine neue Nacht auf der Parkbank ein. Hinter mir kämpfen 2 Schafböcke darum, wer den Weg freimachen muss, ihre Hörner krachen ordentlich aufeinander.
20 nach acht: Donnergrollen und dunkle Wolken nähern sich von Interlaken: Ist vielleicht doch nicht so eine gute Idee, ohne Zelt? Jetzt aber schnell! In rekordverdächtigen 15 min steht es und ist fertig eingeräumt. Die ersten Blitze zucken.

Martingny - Interlaken

Dienstag, 27. August 2019

Die Luft ist raus

Zugegeben, die Bank ist schon sehr schmal. Und auch nicht sehr lang. Ich muss beim umdrehen enorm aufpassen, nicht abzustürzen.  Ich glaube, ich gäbe einen ganz guten Landstreicher ab.Trotzdem habe ich gut gelegen und kurz und gut geschlafen. An der Kürze ist aber nicht die Bank schuld, sondern meine Gedanken, die wieder Karussell fahren wollten. Diesmal ging es um das Leben, Glück und Trauer. Und ich hatte einen spannenden Gedanken, wie ich einer Freundin helfen könnte - mal schauen, ob ich den in die Tat umsetzen kann.
Der Himmel über mir war sternklar und kein Mondlicht hat die Sterne verblassen lassen. In der Ferne feuerten Blitze ein besorgniserregendes Wetterleuchten, aber zum Glück ist es fern geblieben. Nun ist es leicht bewölkt, kann also sein, dass der Wetterbericht mit dem Ende der Schönwetterperiode recht behält.
Natürlich hat das Haus heute Nacht mit mir gesprochen, es ist ein Holzhaus. Ich vermute allerdings, dass auch irgendwelche Tiere darin wohnen. Auf jeden Fall war ich aufmerksam und hellhörig.

Obwohl ich schon um 8 Uhr mit leichten Kopfschmerzen aufstehe, habe ich mich wohl inzwischen so an die Trödelei gewöhnt, dass es bei Abfahrt bereits wieder halb 11 Uhr ist. Macht nichts. Nur aus einer Laune heraus nehmen wir uns noch den Col de la Joux Verte vor, er liegt überhaupt nicht auf unserer Strecke. Aber es lohnt sich! Scheint ein Paradies für Mountainbiker zu sein - ganz viele davon, mit Knie- und Ellenbogenschützern und Integralhelmen turnen hier rum. Der jüngste dürfte ca. 4 Jahre alt sein, der seiner Mami ins Tal hinunter folgt. Um wieder in die richtige Spur zu kommen, müssen wir ein ganzes Stück zurück fahren. Balduin hat sich meine gestrige Drohung sehr zu Herzen genommen und führt mich fast nur schöne Sträßchen, obwohl ich dachte, hier gibt es nur Hauptstraßen. Allerdings schlägt er manchmal horrende Umwege vor, die ich ihm dann aber abgewöhne.
Er findet sogar zu der Rennstrecke, die wir nun schon 2 mal gefahren sind, eine wunderschöne Alternative. Und dazu dann auch noch eine Abkürzung, die beweist, dass man gar nicht so viele Kurven und Kehren bräuchte - es wird halt dann sehr steil. Gefällt aber der Lisl und mir! Wir fahren also nicht den selben Weg zurück, wie ich befürchtet hatte. Wir müssen nochmal etwas nach Süden halten, sonst sind wir bald aus den Bergen raus. Und ich will ja weiterhin Kurven fahren üben.
An einer Ausweichstelle unter Felsüberhängen gibt es die Mittagsrast. Ruhe. Niemand kommt vorbei. Dann möchte ich die Straße mit den Überhängen fotografieren und plötzlich reißt die Autoschlange überhaupt nicht mehr ab - von beiden Seiten! So was. Einen tollen Ausblick hat man hier - die Straße ist direkt unter uns zwischen den Bäumen erkennbar. Kurz nach dem Aufbruch fällt mir ein, dass ich ein Handtuch und die Wasserflasche nicht verstaut habe. Die lagen seitlich auf der Packtasche - sicher sind sie irgenwo verloren gegangen. Bei der nächsten Möglichkeit halte ich an und schaue nach hinten, dabei gerät die Lisl ins Wanken. Nein, Lisl, nicht umfallen! Rechtes Bein, linkes Bein, Lenker festhalten...gerade nochmal gut gegangen. Und die Flasche mit Handtuch liegen immer noch auf der Tasche! Das ist mir in Russland auch schon mal passiert.

Kurz vor dem Mont Blanc gibt es noch eine hübsche Passstraße. Oben auf dem Sattel ein Ententeich, später ein netter blauer Bergsee, auf dem intensiv gepaddelt (insbesondere stand-up-paddeln) wird. Irgendwann passieren wir eines dieser unsäglichen Touristen-Nester auf der Höhe - hier wimmelt es von Ziegen! Vier- und zweibeinigen. Kreuz und quer bevölkern sie die Straße, alle Andenkengeschäfte, lassen sich von den Kindern streicheln und scheißen alles zu. Es stinkt fürchterlich, scheint aber die Touris gar nicht abzuschrecken. Das Verkehrschaos pur. Zum Glück ist das bald vorbei und wir sind wieder ziemlich alleine mit den Kurven.
Das Mont Blanc Massiv passieren wir via Chamonix. Da sieht man wenigstens etwas, ansonsten müssten wir ja im Tunnel fahren. Der "große Gletscherblick" zeigt uns zwei kleine Gletscherzungen. Ja, sowas finde ich immer spannend, aber ich habe da (leider) ganz andere Vergleiche. Bin also enttäuscht. Ansonsten schleichen wir Kilometerlang zwischen Häusern und Urlaubern entlang, bis wir wieder freie Fahrt haben.


Der schweizer Grenzer hält mich kurz an, aber nur um auf die Nummerntafel zu schauen und meine Nationalität festzustellen. Dann ist er schon zufrieden. Auch hier in der Schweiz findet Balduin wieder in's Darknet. Von Martigny sehen wir nur das Ortsschild, dann zeigt Balduin einen Wirtschaftsweg durch die Weinberge an. Zur Abwechslung wird dieser dann wieder von einer guten, breiten kurvigen Passstraße abgelöst, das ist ein Schwingen! Übung macht den Meister (der Kehren). Meiste bin ich sicherlich noch nicht, aber meine Kehren werden immer flüssiger. Irgendwann trotzt dann Balduin wieder - er mag gar keine Route mehr berechnen, zeigt nur noch Meer an. Mehrfach muss ich ihn zur Raison rufen, aus- und wieder einschalten, bis er sich beruhigt hat. Doch altes Eisen???

Schon kurz nach 16 Uhr ist heute Feierabend. die Luft ist raus, ich bin müde. Die Euphorie über die unendlichen Kurven ist einer dauerhaften, entspannten Freude am Schwingen gewichen. Ich sitze am Col des Planches auf ca. 1400 m. Hier habe ich einen kleinen Rastplatz gefunden mit Sitzgarnituren, einem plätschernden Brunnen und einem Stück ebener Wiese. Gegenüber und oberhalb stehen einzelne Häuser, aber bislang schert sich keiner um mich. Ich muss noch überlegen, wie ich die Nacht verbringen will. Ein Hahn kräht, bisschen spät, oder? Bei der abendlichen Routenplanung stelle ich fest, dass wir doch wieder nach Martigny zurück müssen, aber Balduin wird uns hindurchweisen.

PS: gestern auf dem Roselend hab ich vor Freude gepfiffen! Gar nicht so einfach bei dem Fahrtwind. Man muss ordentlich Druck aufbauen und die Lippen werden schnell trocken. War aber lustig!


Col de la Jux Vertes - am Mont Blanc vorbei - Col des Monets - Vallorcine - Col de la Forclaz (ein anderer) - Col des Planches

Montag, 26. August 2019

Wünsche an das Universum

Irgendwelche Tiere haben sich gestern abend in der Dunkelheit angeschlichen, aber das Licht meiner Taschenlampe hat sie schnell in die Flucht geschlagen. Es war allerdings nicht hell genug, zu erkennen, welche Sorte Tiere das war. Am Morgen finde ich eine Unterhose nach dem Trocknen nicht mehr. Da hat man schon sooo wenig dabei und selbst dann gelingt es einem, Dinge zu verschlampen. Schande! Na ja, ich bin doch noch luxuriös unterwegs, ich habe 4 Stück davon dabei - also immer noch eine auf Reserve.
Über mir höre ich den singenden Flügelschlag von kreisenden Vögeln.
Ich muss mich nochmal über die Routenplanung hermachen, das wird eine Zeit dauern - bis um 11 Uhr!!! (ich habe ja Urlaub) Balduin dankt es mir leider nicht - er ist heute dickköpfig und will immer anders fahren als ich.

Die Berge sind hier wiede höher, daher gibt es nicht so viele versteckte Sträßchen. Wir müssen die üblichen Straßen und Pässe nehmen. Erstes Ziel ist der Col de Roselend. Der liegt zwar überhaupt nicht in unsere Richtung, aber den habe ich mir in den Kopf gesetzt. Der Abstecher dürfte etwa 20 km ausmachen. Die Entscheidung ist richtig - wir kommen an einem riesigen, wieder mal so toll türkis strahlenden Bergsee vorbei und erklimmen den Pass. Immer wieder passieren wir Restaurants oder touristische Plätze. Oben auf dem Pass ebenfalls ein großer Parkplatz, ein Souvenier- und ein Käsestand. Alles was schön ist, wird von den Touristen heimgesucht. Ok, ich bin auch einer..., wäre aber schöner, wenn ich der Einzige wäre! Die Welt wird einfach viel zu klein.  Meine Tante ist vor über 60 Jahren mit der Lambretta über die Alpen gefahren, da war es sicher viel eisamer - danach sehne ich mich! Wenn ich könnte, würde ich gerne eine Zeitreise dorthin machen; ich würde mich sogar auf einen anderen fahrbaren Untersatz einlassen, obwohl ich die Lisl schon sehr liebe!

Für den Rückweg finde ich einen kleinen Umweg über Areche - ein niedliches kleines Paßsträßchen (Wohnmobile verboten!), das noch einmal herrliche Ausblicke auf den See bietet. Ganz nach unserem Geschmack. Zurück in Beaufort lacht mich wieder mal ein Bäcker an - die Kuchentheke ist leider nicht zu übersehen. So decke ich mich mit Quiche und einer dicken Meringe ein und bestelle in der Bar nebenan eine kalte Cola.
Beim verstauen des gekauften Brotes taucht die verschwunden geglaubte Unterhose wieder auf, in einem Zwischenfach des Tankrucksacks. Wußte ich es doch - ich habe nichts verloren!

Back on the road. Schöne Kurven, Kürvchen, Kehren und Serpentinen. Die Kurvenradien gehen von "andeutungsweise" bis "größer 180 Grad" - ist das nicht herrlich? Mal schnell, mal langsam. Mal rund, mal eckig. Flach oder steil. Da wird es uns nicht langweilig! Wir müssen immer auf Überraschungen gefasst sein, jederzeit brems- und reaktionsbereit, mal in Schräglage, mal aufrecht sitzend die Lisl auf die Straße drücken. Ganz kurz erhasche ich einen Blick auf schneebedeckte Gipfel, dann ist es schon wieder vorbei.

Willkommen in Cluses, einer Stadt im Tal, östlich von Genf. Eben eine Stadt. Natürlich gibt es hier was zu kaufen, oder? In den Skidörfern gibt es jede Menge Hotels und Restaurants aber keinen einzigen Lebensmittelladen! Ski- und Radgeschäfte en masse. Und Häuschen zum wohnen. Es sind nette Holzhäuschen, am Holz kann man ihr Alter erkennen. Nur wenige tragen schon Patina, es scheint so, als ob jährlich welche hinzukommen und es wird auch weiterhin gebaut. Also nichts mit Obst und Gemüse kaufen. Aber hier in der Stadt bestimmt! Entweder bin ich zu blöd, oder die Geschäfte verstecken sich zu gut in der Fußgängerzone? Auf jeden Fall ist das einzige was ich finde, ein Lidl! Na gut, Tomaten, Gurke, Nektarinen und ein Stück von dem guten Camenbert bekomme ich auf jeden Fall. Der Motorradanzug klebt am Körper bei 33 Grad,  es ist so schwül...ich brauche wieder Fahrtwind. Und die Lisl braucht auch was zu futtern. Voila! Eine Tankstelle! Auf's Wort! Fertig gerüstet für die Berge, auch wenn es schon Richtung Spätnachmittag geht.

Gedanken an einen Übernachtungsplatz...es wäre schön, wenn da mal eine Quelle in der Nähe wäre. Wünschen darf man ja. Ich habe heute nicht sehr gut auf mich geachtet, viel zu wenig getrunken und zur Strafe tut der Hintern weh.

Balduin, Balduin, wenn Du so weitermachst, geb ich Dich bald zum alten Eisen! Er lockt mich auf eine relativ große Straße. Ja, sie hat schöne Kurven und Platz genug um sie auszufahren, auch bei Gegenverkehr. Aber in den allerschönsten Momenten hast Du so eine Schnarchnase vor Dir, der eine lange Schlange von diesen Blechkisten hinter sich herzieht. Keine Chance, zu überholen. Meist schleichen diese Säcke ohne zu schauen aus irgendwelchen Einfahrten, setzen sich einfach mitten auf die Straße und popeln dort so mit 30-50 vor sich hin! Wieder in eine andere Einfahrt abbiegen? Nix da - die bleiben! Und dann war es auch noch die falsche Straße, Balduin! Ich könnte zwar weiterfahren, bin schon fast am übernächsten Wegpunkt, aber ich wollte eigentlich eine andere schöne, kleine Paßstraße fahren. Dann war das eben ein Abstecher und ich fahre die 10 km zurück. Kein Probelm.

Diese Ortschaft Samoens ist schrecklich. Die Durchgangsstraße ist gesperrt, anscheinend dauerhaft. Die Umgehung ist nicht ordentlich ausgewiesen, und die Abzweigung, die ich suche ist unerreichbar. Bestimmt 5 mal durchfahfe ich die Ortschaft in immer engeren Kreisen. Jedesmal ende ich irgendwo an einem Einbahnstraßenschild, einer Hofeinfahrt, einer Mauer oder zu guter Letzt - als ich schon so gut wie an der richtigen Ausfahrt war - an Pollern, die die Fußgängerzone absperren. Es ist zum Mäuse melken. Oder zum Saufen. Denn ich entdecke ein Einbahnstraßenschild, unter dem "sauf irgendwas" steht. Leider habe ich keine Flasche Wein dabei. Aber ich meine mich zu erinnern, dass "sauf" sowas wie eine Ausnahme ist - das bin ich! So lande ich im Kirchhof. Da kann ich zwar durchfahren, lande aber wieder an der Fußgängerzonen-Sperre! Grrr!
Balduin hat aufgegeben und sich abgeschaltet. Da muss dann eben der Kurven-Navigator wieder ran. Ich nutze ihn nicht mehr, weil er einerseits ohne Empfang in den Bergen hilflos ist und andererseits mehr Strom frisst, als die Lisl nachladen kann. Aber jetzt muss er kurz helfen - tut er auch. Klasse, wir sind auf dem richtigen Weg! Es ist eine Nebenstrecke zum Col de Joux Plane, was auch immer das heißt. Ich hoffe hier auf ein Schafplätzchen. Aber die Wiesen sind steil! Eine kleine Nebenstraße wird erkundet, davon zweigt wiederum ein kleines Sträßchen als Sackgasse ab. Mal schauen, ob hier vielleicht ein Wiesenabsatz zu finden ist?

19:15 Uhr. Jetzt sitze ich in der warmen Abendsonne auf einem "Steinbänkchen", angelehnt an den Brunnentrog, für den es die Trittstufe bildet. Er gehört zu diesem verlassen aussehenden Hof, zumindest war schon seit Wochen niemand mehr hier und alles ist gut verriegelt. Auch am Nachbarhaus. Die Straße endet hier, also gehe ich mal davon aus, dass ich heute ungestört bleibe. Die Gelegenheit nutze ich: Haare und Körper waschen, auch einen großen Teil der Wäsche. Zum trocknen ziehe ich sie wieder an und setze mich eben in die Sonne. Die Socken hängen über Lisls Spiegel-Ohren. Jetzt geht's mir wieder gut, das habe ich doch verdient, oder? Das mit den Wünschen an's Universum klappt ja immer besser!
Als die Sonne in Minutenschnelle hinter den Bäumen verschwindet, muss ich dann doch die noch feuchten Sachen austauschen gegen "was Warmes". Zum Schlafen habe ich ein Holzbänkchen vor einem kleinen Holzspeicher ausgewählt, eine Art zweistöckiges Mini-Gartenhaus; dann muss ich das Zelt nicht aufstellen.

Col de Roselend - Col des Saisies - Col de la Croix Fry - Col de Joux Plane