Donnerstag, 29. August 2019

Flieger

Kaum war ich gestern abend im Zelt verschwunden, hat es auch schon angefangen zu regnen, und nicht wenig. Später hat noch ein Auto direkt nebendran geparkt, da wurde mir etwas mulmig und ich habe vorsichtshalber das große Klappmesser griffbereit gelegt. War wohl ein junger Kerl, der im Auto geschlafen hat. Als ich am Morgen aufstehe, ist er weg.
Es hat zwar in der Nacht aufgehört zu regnen, jeetzt fängt es aber wieder an. Wie habe ich das früher noch gemacht, Zelt abbauen bei Regen? Früher, als ich noch jung und Königin der Regenmacher war. Heute werde ich dabei ziemlich nass und auch das Zelt muss ich leider klatschnass einpacken.  Zelten, Motorrad fahren und Regen sind keine so tolle Kombination. Auch meine Morgengymnastik fällt dem Regen zum Opfer. Mich selbst packe ich regendicht ein, die Lisl bekommt die Lenkerstulpen montiert, denn es sieht nirgends nach Besserung aus. Allerdings ist es relativ warm, so daß ich bereits unter meiner wasserdichten Hülle klatschnass bin. Die Motorradbrille setze ich bei Regen ebenfalls auf, aber die beschlägt sofort. So tingeln wir halbblind auf nasser Straße mit abgefahrenen Reifen und aufgebrauchten Bremsbelägen dahin. Der von den Autos hochgeschleuderte Sprühnebel verbessert die Laune auch nicht. Villeicht sollte ich beim Universum besseres Wetter bestellen? Aber schließlich brauchen die Wasserfälle, ja auch wieder Nachschub.
Lils bekommt erst noch ihren Kaffee, oder besser gesagt, Benzin. Die Tankstellendichte ist hier erstaunlich hoch, aber wir sind hier ja auch in der DEUTSCHEN Schweiz. Auf Nebenstraßen tingeln wir das Tal entlang, dann passieren wir einen Flugplatz. Mitten über die Landebahn kreuzt die Straße! Es gibt nur eine kleine Halbschranke, die vermutlich bei Betrieb die Durchfahrt sperrt. Kann ja aber wohl nie lange sein, denn hier starten und landen Düsenjäger - die sind ja schnell.

Als erstes steht heute der Grimselpass (2170 m) auf der Agenda. Bereits bei den ersten Kehre wird es trocken - wie schön! Als erstes fliegt die Motorradbrille weg, etwas später entferne ich die Lenkerstulpen. Den Regenanzug behalte ich noch ein Weilchen an, ich bin darunter immer noch feucht und es geht ein frischer Wind. Auf feinen weiten Kurven und Serpentinen schwingen wir uns hinauf auf den Grimsel. Bei Öl und Luft fehlte der Lisl nichts, aber vielleicht sollte ich mal die Kette wechseln? Ha ha ha!
Vierrädrige Verkehrshindernisse meistert meine liebe Lisl bei den wenigen Chancen, die wir haben, mit kräftigem Antrtitt und sonorem Sound! Es ist einfach herrlich, wie schön sie läuft - wie ein Schweizer Uhrwerk. Wer hätte das gedacht, nach den Erfahrungen, die wir in Südamerika gemacht haben? Als ich jeden Tag beten musste, dass sie auch manchmal auf 2 Zylindern läuft? Diese Zndspulenkrankheit scheint sie besiegt zu haben. Anders als ein Päärchen aus Plauen, das eine Zeitlang hinter uns herfährt. Bei einem Fotostop spricht mich die Sozia an und erklärt mir, dass ihr Moped die Höhe nicht so richtig verträgt. Das erinnert mich schon an Peru, Bolivien, Chile. Da hat auch die Lisl so ihre Probleme gehabt. Nicht hier und nicht heute - sie läuft einfach traumhaft! Auf dem Grimsel bietet sich ein herrlicher Ausblick in's Tal und auf die kurvenreiche Straße, nur ist es etwas neblig um die Gipfel und es zieht ein sakrischer Wind.
Grimsel und Furka sind eine nette Kombination. Die Furkastraße schlängelt sich auf über 2420 m hoch aber bei 15 Grad auf der Höhe hält es mich dort nicht lange.

Als nächstes erklimmen wir den Gotthard auf 2100 m. Allenthalben wird die ohnehin nicht schlechte Straße repariert und erneuert. Abwärts tuckern wir dann ganz gemütlich und stressfrei auf der alten gepflasterten Gotthardstraße, zwischen deren Pflastersteinen  schon das Gras wächst. Nichts für meinen HfMf-Freund! Mann-o-mann, muss das eine Sträflingsarbeit gewesen sein, diese Straße zu bauen! Die Abrollgeräusche der Auto- oder Motorradreifen sind auch nicht zu verachten. Auf der Gotthard-Autobahn nach Norden steht mal wieder die Blechschlange kilometerlang.
Die meisten Kühe auf den Weiden sind ja echt. Aber im einen oder anderen Vorgarten steht auch mal ein Plastik-Exemplar. Die Kuhfladen auf den Straßen davor sind allerdings echt - wie sie das nur schaffen?

Zum Mittagessen gibt es mangels Bäckerei eine riesige Pizza in der Gartenwirtschaft einer netten Osteria - trotz des großen Tellers ragt sie bestimmt auf jeder Seite noch 3 cm über den Tellerrand hinaus. Und sie schmeckt! In der Mitte viel Käse und außen ein knuspriger Rand! Das gibt ein Mittagsloch! Da retten mich nichtmal die 2 Cola davor - das einzige was ich davon habe, sind Bauchschmerzen.
Ein Stück weit müssen wir noch im Tal bleiben und den größeren Straßen folgen. Das passt ganz gut zum Mittagstief, da bekomme ich sowieso nicht soviel mit.

Was Balduin gar nicht kann, ist mit Sperrungen und Umleitungen umgehen. Und das gibt es hier einige. Nun stehen wir am Fuß des Lukmanierpasses vor einem großen Sperrschild. Oh je, das bringt unsere ganze Planung durcheinander - so gerne hätte ich diesen Pass noch mitgenommen. Lange brütwen wir über einer Alternatrive, dann entsließen wir uns, den San Bernardino zu fahren. Ein Zeichen? In memoriam an Bernhard, meinen lieben und guten Freund erklimmen wir diesen Pass ebenfalls auf der "alten" Straße und meiden die Autobahn. Holzfällarbeiten sind angeschrieben. Niemand hat uns jedoch verraten, dass dafür Hubschrauber eingesetzt werden!? Direkt neben der Straße steht einer mit laufendem Rotor. Was der wohl hier tut? Ob der Holz ins Tal fliegen soll? Eine Kehre höher schaue ich hinunter auf den Platz, da hat der Flieger aber schon abgehoben und taucht direkt neben meiner Nase wieder auf. Ohne Ladung.
Auch ein sehr schöner Pass, der San Bernardino. Oben ist Naturschutzgebiet, zelten und Wohnmobile sind verboten. Aber es ist ja sowieso noch etwas zu früh.

Den Splügen? Ja, den packen wir heute noch. Es ist 17 Uhr, noch ca. 1/2 Stunde Fahrtzeit. Und dann werden wir einen Schlafplatz suchen. Den Splügen? Ja, ich glaube, den bin ich schon einmal gefahren, vor über 30 Jahren. Damals mit meinem "Langholzlaster", einer XV 750 von Yamaha, einem Softchopper. Das müßte zwischen 1982 und 1987 gewesen sein - meine Zeitrechnung orientiert sich an meinen Motorrädern. Ich weiß noch, wie ich das Teil um die Kehren herum manövriert habe - mühsam. Ob wir heute eine viel bessere Figur machen in den Kehren? Sollte man meinen, ich bin da aber gar nicht sicher...

Splügen - ich bin oben. Aber was ist das? Nur eine Baustelle! Keine Fahrzeuge, keine Touristen und vor allem keine Grenzstation? Nur ein Schild begrüßt uns in Italien.

Kurz unterhalb der Passhöhe ist mal wieder ein schöner Bergsee. Die Straße führt direkt daran vorbei. Auf der anderen Straßenseite ist ein Wohnmobilstellplatz, eine Sitzgarnitur und ein kleines Fleckchen Gras daneben, genau richtig für mich! Es ist nur wenig Betrieb, also werden mich die wenigen Leute schon nicht stören. Hier gefällt's mir. Die Sonne scheint und ein kleines Lüftchen regt sich. Als erstes werde ich das Zelt aupacken und trocknen, sollte ja bei diesem Wetter hoffentlich schnell gehen. Aber -  damit habe ich nicht gerechnet: die gesamte Nässe von heute morgen hat sich im Packsack gleichmäßig verteilt und Isommatte aber insbesondere den Schlafsack total durchnäßt! Dem tut das gar nicht gut und der trocknet vermutlich auch nicht so schnell. Sehr dumm, da werd ich heute Nacht frieren. Auf jeden Fall werde ich noch jeden Sonnenstrahl zum trocknen nutzen. Laptop schreiben bei Sonnenschein ist sowieso schwierig.
Minunteschnell versinkt die Sonne hinter dem Berggrat und sofort ist es richtig kalt! Ich suche mir ein warmes Plätzchen in einer Bar und genieße einen heißen Kakao, oder fast eher einen Schokoladenpudding, so dick ist der.

Grimsel - Furka - Gotthard - San Bernardino - Splügen

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