Samstag, 24. August 2019

Chalet

Vom Schlafengehen bis zum Aufwachen sträubt sich alles in mir gegen diese Enge.
Als Krönung kläfft mich am frühen morgen der Nachbarshund an, als ob ich in SEIN Reich eingedrungen wäre! Nur fort von diesem Ort! Kurz nach 8 Uhr bin ich startklar - das morgendliche Wellnessprogramm inklusive Frühstück ist komplett entfallen. Das gönne ich mir dafür luxuriös im nächsten (Touristen-)Ort, wo ich dann auch Netz zum upload für den Blog habe: Orangensaft, Kakao und 2 Croissants! Auf dem Weg bis hierher gab es noch viele schöne Plätzchen, aber alle gleichermaßen zugeparkt - oh je.
Das Frühstück als gute Grundlage war dringend nötig, für das was mich nun erwaret. Der Ort ist heute im Ausnahmezustand, sieht so aus, als ob hier vielleicht ein Radrennen stattfindet? Alle Parkplätze zugestopft, die Straßen mit Buden und Ausstellungsstücken verstellt, Menschenmassen allenthalben und die Umleitungen führen durch die kleinsten Gässchen, in denen die dicken Wohnmobile stecken bleiben. Eingereiht in die Blechkolonne zockeln wir den Berg hinunter, gezwungenermaßen den bescheuerten Fahrstil des Vordermanns übernehmend und darauf hoffend, dass der Hintermann uns nicht auf die Hörner nimmt.
Endlich unten im Tal angekommen, tut sich glücklicherweise eine Alternative auf: ein süßes kleines Bergsträßchen, das oberhalb der Hauptstraße durch Wälder und Wiesen führt. Vielleicht hüpft beim dem Gehoppel auch die eine oder andere Fettzelle davon? Hoffen darf man ja... Höhenmeter für Höenmeter steigt auch meine Laune wieder. Dazu tragen auch die tanzenden Schmetterlinge und die schnell von der Straße huschenden Eidechsen bei.
Als das Sträßchen zu Ende ist, müssen wir einen Transfer auf der Hauptstraße in Kauf nehmen - der dauert zum Glück nur 4 km. Die eine oder andere Sackgasse schulden wir der schlechten Kommunikation meiner beiden Navigationssysteme - Balduin und Kurviger. Stört mich aber gar nicht, ich habe Zeit und genieße.

In der Mittagshitze erreichen wir Croix de Fer. Es ist eine schöne Straße, ja ein kleines Skidorf liegt am Weg und oben auf dem Pass sammeln sich ein paar Leute, aber alles im Rahmen. Balduin hat kapituliert. Er kennt sich hier überhaupt nicht mehr aus. Viele der Straßen, die Kurviger findet, gibt es in seinem Repertoire überhaupt nicht! Schade. Ich muss also meine Taktik ändern und das Handy zur Navigation benutzen. Mit Stromanschluss an die Lisl funktioniert das sogar ziemlich gut. Die Abfahrt vom Pass führt entlang eines sehr großen, tief-türkisfarenen Stausees, dessen Oberfläche leicht gekräuselt daliegt. Die Kühle des Wasser strahlt angenehm herauf  zur Straße. Ein Traum, gemütlich mit wenig Verkehr.





Erst um 15 Uhr ist Zeit für Mittagessen, in dem kleinen, sehr ruhigen Ort Villard-Reculas. Vor mir bewaldete Berge neben hellgrün begrasten Hängen und dazwischen schroffe, glatte, dunkelgraue Felswände. Steil geht es hinunter ins tiefe Tal, strahlendblauer Himmel überspannt die Szene, 2 Federwölcken tummeln sich dort. Auf die Parkbank wirft eine Kiefer ein wenig Schatten. In der rechten Hand ein frisches Gewürzbaguette, in der linken einen cremigen Camenbert, der schon von ganz alleine davon läuft und in der Trinkflasche frisches Quellwasser mit leichtem Limogeschmack. Was will man mehr???

Nächster Berg ist der Col de Ornon, 1350 m. Den Weg dahin führt mich Kurviger über befestigte Feldwege, die zuerst an einem kleinen klaren Bächlein entlangmäandern und dann den Damm eines breiten Bergbaches nutzen. Bei uns wären das ausschließlich Radwege, hier aber steht nirgends ein Sperrschild. Außerdem sind die Radler ja alle auf den Passstraßen unterwegs, so nehme ich ihnen nichts weg.

Am späten Nachmittag ist die Sonne noch heftig erstickend warm auf der Haut und unterm Anzug zu spüren. Bei den häufigen Wechseln in den schattigen Wald aber, spüre ich sofort die angenehme Kühle auf der Haut. Der Wald duftet herrlich nach Nadelbäumen. Noch etwas frischer wird es, sobald Wasser in der Nähe ist, auch wenn ich es nicht sehe. Ähnlich wechselhaft geht es mir emotional - meist angenehm entspannt kann ich die Fahrt mit der Lisl ganz toll genießen. Hin und wieder jedoch schweifen die Gedanken zu einem guten Freund, der gerade in einer sehr prekären Lage ist. Immer wieder sende ich kraftvolle Gedanken dorthin.

Kurz vor 18 Uhr. Zeit, nach einem Übernachtungsplatz Ausschau zu halten. Hier ist es schön - saftig grüne Auen voller Kühe und Pferde, einige Bauernhöfe, ein kleiner Skiort, gemütliche Bänkchen. Aber zum Zelten einen erlaubten und ruhigen Platz zu finden, wird nicht einfach. Da kommt mir das Sträßchen gerade recht, das in 9 km einen See ankündigt und die Straße als "offen" ausweist. Scheint also hinauf zu gehen. So ist es - schöne kleine Kurven und Serpentinen führen durch den dichten Wald. Viele Autos kommen entgegen - sich rechnen anscheinend nicht mehr mit entgegegnkommendem Verkehr - also muss ich besonders vorsichtig sein. Laut Navi sollte der See hier irgendwo sein, scheint aber so, als ob man da nur zu Fuß hinkommt. Das Sträßchen führt weiter zum angeblich nächsten See. Hier ist Ende - Parkplatz - Wanderstart. Hm, Pech gehabt. Also zurück zu den Weiden und doch dort schauen.

Dann tue ich was Verbotenes: ich schlafe an einem fremden Haus, einem Chalet. Nein, ich breche nicht ein, aber es sieht total unbewohnt aus und hat einen herrlichen Beton-Balkon hoch über dem Tal, auf den die Sonne scheint. Da möchte ich heute Nacht bleiben und das Zelt nicht aufbauen. Dennoch muss ich es erstmal auspacken, denn heute Morgen in der Eile, war es  noch nicht trocken. Ein junger Mann mit Rucksack kommt her und spricht mich an - will der mich verscheuchen? Nein, er fragt nach dem Weg zum See; ich kann ihm da leider nicht weiterhelfen. Auf dem Balkonboden sitzend schreibe ich, während an den Hängen die Kuhglocken läuten und im Tal fröhliche Rufe vom Boulespiel oder den Kindern erschallen, die im See baden. Das Haus steht direkt in einer Kehre des kleinen Sträßchens zum Bergsee (den ich nicht gesehen habe), daher kommen des öfteren Autos vorbei. Ich versuche einfach, mich nicht darum zu kümmern.

Soviele Cols, da kriegst'n Koller  (östlich von Grenoble)

Freitag, 23. August 2019

entspannter 3/4-Takt

Das Gewitter ist an uns vorbeigezogen und es ist trocken geblieben. Ein leichter Dauerwind hat wohl dafür gesorgt. Der hat aber auch die ganze Nacht die Zeltplane flattern und knattern lassen. Dennoch habe ich einige Stunden tief und fest geschlafen, bis mich das Gedankenkarussell wieder erwischt hat:
Es ereignen derzeit so viele unterschiedliche Schicksale in meinem Umfeld, über jedes einzelne muss ich nachdenken und Anteil nehmen. Jedes davon gliedere ich in mein neues Weltbild ein, bis ich schließlich am gesamten Weltbild weiterbauen muss.
Wir Menschen betrachten uns als Krönung der Schöpfung. So viele schlaue Menschen, die versuchen, diese Schöpfung zu verstehen und zu erklären, befassen sich mit der Materie und dem, woraus sie besteht im Mikrokosmos. Sie suchen nach Gesetzmäßigkeiten und Regeln, entdecken Gene, Molküle, Atome. Zerlegen, erfinden Maschinen, um noch tiefer forschen zu können, entdecken Protonen, Neutronen und Elektronen. Stellen fest, dass Materie eigentlich auch Nichts besteht. Entdecken Schwingungen und Schwingungsbahnen und sind mittlerweile bei Quarks angekommen. Ist damit das Ende der Fahnenstange erreicht? Ich bin überzeugt, die Forschung wird auch hier weitergehen und noch kleinere Dinge entdecken - das ist eine unendliche Geschichte. Ähnliches unternehmen Forscher auch im Makrokosmos. Die untersuchen das Sonnensystem, Galaxien, entdecken schwarze Löcher und durchstreifen das Universum. Auch hier suchen sie nach Regeln und Strukturen. Äußerst interessant, dass sich die Ergebnisse ähneln.
Jetzt stecken wir mal die beiden Sichte zusammen, den Blick nach außen und den Blick nach innen, dann stellen wir fest, dass die Menschen nur eine einzige Stufe im Gesamtkontext des Seins sind.  Wie sieht aber unsere Rolle in dem Spiel aus? Welchen Regeln und Gesetzmäßigkeiten sind wir unterworfen? Welchen Zweck erfüllen wir, welchen Freiheitsgrad haben wir tatsächlich und warum tun wir das, was wir tun? Wie unbedeutend sind dann die unterschiedlichen Einzel-Schicksale!

Nachts wurde es sternklar und gegen Morgen hat der Mond ein interessantes Licht auf die senkrecht aufragenden Felswände geworfen.
Die 8 km zurück in's Tal gefallen mir wieder, unten habe ich dann wieder Netzempfang und kann den Blog auf die Reise schicken. Jetzt kann ich mich auf die Pässe konzentrieren. Alles bekannt Namen, daher werde ich mich mehr auf Zivilisation und Verkehr einstellen müssen. Schon bald geht es wieder nach oben - Isola 2000. Das ist ein künstlich angelegtes Ski-Dorf, eine hässliche Bettenburg auf 2000 m Höhe. Davon werde ich ganz bestimmt kein Foto machen! Ganz hinauf auf den Col de la Lombarde, wo es ordentlich kalt ist, ein kalter Wind pfeift und graue Wolken über uns hängen. Und - wir sind in Italien...uuups. Nur langsam wird es talwärts etwas wärmer. Wir schwingen fröhlich durch die Kurven, bis ich im Rückspiegel etwas entdecke. Es ist eine dieser Radler-Ameisen, die mir am Hinterreifen klebt! Er strüzt sich todesmutig mit über 50 km/h den Berg hinunter. Auf den Geraden kann ich ein paar Meter gut machen, in den Serpentinen hängt er sich wieder an mein Hinterrad.

Es ist wieder wärmer geworden und die nächste Entscheidung steht an - wo soll's weitergehen? Richtung Osten ist mir noch zu früh, ich wollte doch nochmal Richtung Grenoble? Da gibt es meines Wissen auch ein paar schöne Pässe zum herumturnen, die ich beim letzten Besuch wegen Neuschnee nicht fahren konnte. Balduin spricht von Colle della Maddalena, das klingt doch ganz gut? Schauen wir mal, was uns da erwartet. Der Pass bietet liebliche, gleichmäßig begraste Hügel, eine elegante 3/4-Takt-kurvige Straße führt uns über den Pass wieder zurück nach Frankreich. Aber es gibt auch teuflische Fallen: aus manacher Kehre tauchen wir gar nicht mehr auf sondern stecken schon mitten in der nächsten. Wow! Die Lisl und ich rollen ansonsten gemütlich dahin, wir müssen nicht (mehr) heizen, wir sind zwei alte ladies. Mein Kopf ist leer, es hat sich "ausgedacht". Ich bin nur hier, auf der Straße und lasse mich chauffieren.
Eine Brücke führt über den Ubaye...den kennen wir doch? Es ist Mittagszeit und wir finden ein schönes Plätzchen mit einem riesigen flachen Stein oberhalb des Flusses, der schäumend über die Felsen donnert. Gegenüber erhebt sich eine senkrechte Felswand. Wunderschön kann man die Strukturen und Schichten im Gestein erkennen. Bis weit hinauf gibt es gleichmäßige waagrechte Schichten, aber darüber scheint sich früher mal ein zäher Gesteinsstrom geschoben zu haben; aus den Wellen und senkrechten Schichten kann man direkt die Erdbewegung erahnen.
Die Route des grandes Alpes führt uns nach Briancon. Es ist traumhaft gemütlich und entspannt zu fahren - nur das allerschönstge Stückchen wird uns leider durch ein paar blecherene Verkehrshindernisse vergällt. Die Streckenführung läßt höhere Geschwindigkeiten zu, daher werden wir heute vermutlich ein größeres Stück schaffen. Am Col de Vars bemerke ich zum ersten mal Fotografen. Die gibt es anscheinend an den anderen großen Pässen genauso. Sie fotografieren die Motorradfahrer in den Kurven und wollen die Bilder dann vermutlich verkaufen. Auf jeden Fall: bitte recht freundlich! Ansonsten sind die Passstraßen hier komplett bemalt mit Parolen und Hinweisen an die Radfahrer.


In Briancon, wieder mal nicht meinem Lieblingsort, stellen wir was an! Balduin vermeidet brav alle Hauptstraßen und führt mich in die kleinen Gassen der Innenstadt. Dann geht es hinauf Richtung Burg. An einem Torbogen mit Brücke müssen wir an einer Ampel warten. Daneben steht ein großes vollgeschriebenes Hinweisschild mit allen möglichen Verboten. Motorräder kann ich da nicht finden, also fahren wir hinein. In immer engeren und steileren Serpentinen geht es hinauf, manchmal so eng, dass ich sogar zurückstoßen muss. zu guter Letzt landen wir im Schlosshof! Da ist wohl was falsch gelaufen. Also zurück - eine Abzweigung ist mit einer Halbschranke abgesperrt. "Geht es da weiter?" deute ich einem gegenüber sitzenden Mann. "Ja sicher" heißt der Daumen hoch. Ob das ok war? Wir scheinen mitten durch die Burg und Torbögen zu fahren. Mir ist mulmig, aber bald sieht es wieder besser aus. Ja, es gibt Straßenschilder, aber die Leute schauen mich an, als ob ich hier falsch am Platz wäre. Dann queren wir einen großen Parkplatz und kommen wieder auf die Hauptstraße. Fast. Denn uns trennt eine Schranke - hier sollten Parkplatzgebühren bezahlt werden. Dummerweise ist die Schranke nicht, wie oft in Deutschland, kurz genug um sich daran vorbeizudrücken. Und jetzt? Über einen hohen Bordstein, einen kleinen Sitzplatz und drüber wieder auf die Straße - fertig. Schnell weg.

Col du Galibier (2648 m). Nochmal ein schönes Kurvenschmankerl. Allerdings eben ein bekannter und viel befahreren Pass. Unterwegs fallen einige dicke schmerzhafte Regentropfen, ich versuche, sie zu ignorieren. Oben häufen sich die Motorräder, auch ein paar Deutsche sind dabei, die mich ansprechen. Kleiner small-Benzin-talk. Dann kurz überlegen, wohin ich weiter will; zum Glück ist die Auswahl hier oben nicht so umfangreich - ein Weg rauf, ein Weg runter. Klamme 14 Grad herrschen oben, also ist auf jeden Fall Abstieg angesagt. Auch wenn es ein paar nette Zeltecken gäbe und die Zeit auch schon fast reif ist. Bis in's Tal (wie gestern) will ich aber nicht wieder warten. Einen schönen Schotterweg entlang eines Flusses kann ich von oben erspähen. Da gibt's sicher ein Zeltplätzchen? Stimmt - aber das denken sich auch eine Unmenge anderer Franzosen mit Kleinbussen, Kombis, Zelten, Hunden und Kindern. Es gibt eine Wiese, bevor der Weg gesperrt ist, und die ist bereits übervölkert. Gerade will sich hier eine Familie richtig ausbreiten, da schneide ich mir schnell noch ein Plätzchen für mein Zelt ab. Oh je, so hab ich mir das nicht vorgestellt! Na ja, für eine Nacht werde ich es aushalten (müssen). Wird schwierig mit dem Toilettengang... Jetzt zwängt sich auch noch ein kleiner Kombi direkt hinter mich und baut sogar einen Generator auf! Sein asthmatischer Boxer kreist eng um mein Zelt und hechelt mir unentwegt die Ohren voll. Fehlt nur noch laute Musik! Keine Angst - kommt auch noch! Der Freiraum um unser kleines Zelt wird immer enger, Hunde und Kinder stolpern schon darüber - grausam! Wohin bin ich da geraten?

Col de la Lombarde - Col de Vars - Route des Grandes Alpes - Col du Galibier

Donnerstag, 22. August 2019

Schwierige Schlafplatz-Suche

Das war meine Schlafwiese! Super habe ich dort geschlafen, frisch und gut erholt beginnen wir den Tag in aller Seelenruhe. Erster Höhepunkt ist der Col des Champs mit knapp über 2000 m - oben angekommen möchte ich etwas außergewöhnliches tun une einen lauten Freudenschrei von mir geben. Das gelingt mir auch, sonderbarerweise werde ich damit auch sofort sehr traurig. Die Lisl kann meine Stimmung aber schnell wieder heben, indem sie dem nächsten Pass, dem Col d'Allons entgegenschwingt. Eine breite Straße führt durch mehrere Touristenorte hinauf, wird dann aber schmaler, eben eine üblich "kleine" Passstraße mit akzeptablem Verkehr. Ein kurzes Päuschen oben auf dem Pass mit einem Rundumblick. Was gibt es hier auf 2244 m furchtbar viele Grashüpfer!
Zurück in's Tal des l'Ubaye, der oberhalb zum riesigen Lac de Serre-Poncon aufgestaut ist. Wir umrunden ihn vollständig, da ich eigentlich in die andere Richtung möchte. Aber nicht ohne dabei noch ein paar Pässe einzubauen. Hier finden wir wirklich Miniatursträßchen, die sich in abenteuerlich engsten Kehren hinaufwinden. Ich wollte "Kehrentraining"? Ja, das kann ich hier zur Genüge bekommen. Es fehlt noch etwas an der Instruktion, aber wir mogeln uns schon durch, schließlich sind wir hier absolut komplett alleine! An der Nordspitze des Sees kreuzen wir den letzten Ausläufer - ich spüre die herrlliche Frische und Kühle des Wassers. Der Rückweg auf der anderen Seeseite führt durch einen Nationalpark und bietet tolle Ausblicke auf den tief türkisblau strahlenden See.



Die Mittagspause (fanzösischen Brot, Salami, Tomate & Zwiebel) am frühen Nachmittag findet heute in einem kleinen Ort statt, der einfach alles bietet, was ich gerade brauche. Eine Sitzgarnitur neben einem Brunnen, tolle Aussicht auf einen klaren Bergsee und ein Toilettenhäuschen. Ich beobachte, wie ein Motorradfahrerpäärchen vor dem See posiert und eine Frau sich anbietet, ein Foto zu machen. Kurz danach spricht sie auch mich an und erzählt, dass sie ja auch Motorradfahrerin ist und auf Korsika wohnt. Nur das Moped hat sie jetzt grad natürlich nicht dabei - etwas seltsame Frau. Ein junger Mann schleicht um die Lisl, begutachtet alles ganz genau und gibt den Daumen hoch. Dann erzählt er, dass der bald mit einer 500er-Honda eine Geländetour durch die Alpen machen will und bittet mich um gute Tips.

Der Col de la Bonette (2802 m) soll für heute mein letztes Ziel sein. Auf dem Weg nach unten möchte ich mir einen Schlafplatz suchen. Ich war schon mal auf dem Pass, aber das ist lange her. Schön und kurvenreich schlängelt sich die Asphaltstraße hinauf. Der Verkehr hält sich in Grenzen, dafür wird es kühler. Noch ist es angenehm. Dann fallen ein paar Regentropfen. Gelegentlich ist die Straße naß - wir lassen uns nicht beeindrucken und schrauben uns weiter in die Höhe. Oben angekommen haben sich eine ganze Reihe Motorradfahrer versammelt, allen anscheinend in der Gegenrichtung unterwegs. Die Lisl wird auch hier bestaunt und fotografiert. Ein nettes älteres Päärchen spricht mich an und schießt ein Foto von der Lisl und mir. Wir unterhalten uns ein Weilchen nett, reden Benzin und Kilometer.


Ist sie nicht ein tolles Moped, meine Lisl? Man sitzt ja nicht AUF ihr, sondern IN ihr. Und da sitzt man doch so wohlig, komfortabel und sicher wie in Abrahams Schoß!

Nach und nach fährt jeder seiner Wege. Hier oben ist es schon toll, es gibt phantastische Ausblicke in und über die Bergwelt sowie den sich dahinschlängelnden Asphaltwurm. Irgendwann erreichen wir wieder die Baumgrenze, ohne dass ein passendes Plätzchen aufgetaucht wäre. Das Tal ist steil, die Berge eng - auch hier findet sich folglich nichts Gescheites. Dann beginnen die Ortschaften wieder - im Vorgarten können wir ja schlecht zelten. An halbwegs einladenden Wiesen steht "privat" und auch steile Nebensträßchen enden nur in Hofeinfahrten. Nächster Versuch. Die Straße biegt nach Westen in die Berge ab und steigt steil an, endet aber (zumindest vorerst) nicht. Ein wunderschönes Sträßchen, aber kein Zeltplatz. Wieder ein paar Häuser. In der Ausweichbucht einer Kehre möchte ich äußerst ungern übernachten! Wir kommen wir an einen kleinen Marktplatz mit Kirche, ein Sperrschild an der Straße: in 1 km ist gesperrt. Bis zum bitteren Ende werde ich fahren, denn zurück ist keine Option. Auf meiner eigentlichen Route liegen immer mehr Ortschaften, große Straßen, Verkehr vor mir und - last but not least - dunkle Regenwolken! Ganz am Ende der Straße parken ein paar Autos, hinter einem Kieshaufen gibt es noch ein kleines Stück Schotterweg. Da wird das Zelt jetzt aufgebaut. Sch...egal wie hart und steinig der Untergrund ist. ich fackle nicht mehr lange. Die dunklen Wolken grummeln schon nach Donner. Ruck zuck steht das Zelt, auch wenn hier natürlich keine Häringe halten. Falls es regnen sollte, gibt das eine üble Schlammschlacht. Drückt mir die Daumen!




Blog? Kein Netz!


Col des Champs - Col d'Allons - Lac de Serre-Poncon - Col de la Bonette

Mittwoch, 21. August 2019

Waschmaschine für Gefühle???

Puh! Geschafft! Endlich bin ich raus aus dem Graus. Über eine Stunde bin ich spiralförmig durch Nizza geirrt, innerlich und äüßerlich heißgelaufen. Ampeln, Einbahnstraßen, Sperrschilder (von denen man nicht weiß, ob sie gelten), Abbiegeverbote, dazwischen Fußgängerüberwege mal mit mal ohne Ampel. Hier auf ca. 900 m ist es immer noch sehr heiß, aber gerade so erträglich.
Meine ganze Reiseruoutine steht Kopf! Die letzten ca. 20 h waren extrem anstremgend für mich. Angefangen bei der Übernachtung in einem Hostel, mitten in der Stadt, bis hin zur fehlenden Morgengymnastik bzw. -singübung. Ich habe heute Nacht kein Auge zugemacht. Nicht, weil meine Mitbewohnerin daran beteiligt wäre, nicht weil alle Stunde auf der Straße unter dem Fenster ein metallener Rolladen auf- oder zugeschoben wurde oder ein Müllauto lautstark seine Arbeit erledigte, nein, schlicht und einfach, weil mein Kopfkarussell keine Ruhe gab. Zum mangelnden Schlaf kamen morgends noch heftig Kopfschmerzen - kein Wunder.

Das Treffen mit meinem Freund hm hm hm (Datenschutz!) hat mich sehr berührt und aufgewühlt - es war auf jeden Fall die ganzen Strapazen wert! Ich habe einige Neuigkeiten erfahren, aber das Treffen hat auch mit mir sehr viel angestellt. Vor allem hatte ich sehr traurige Momente, was mir aber zeigt, dass ich noch Gefühle habe. Wo Traurigkeit ist, kann auch Freude sein - ich muss halt noch etwas Geduld haben. Es besteht also noch Hoffnung für mich. Und auch für meinen Freund. Er macht gerade schwierige Zeiten durch, aber es gibt auch gute Nachrichten und ich bin überzeugt, er wird alles richtig machen!

Hier oben, bei meinem ersten Halt am Col de Vence, ist die Landschaft ganz anders. Die runden Kuppen der Hügel sind kaum bewachsen und an den Hängen gibt es nur Steine und hartes Gras. Nicht wie in Liguren Wälder und Weinberge.

Das Gedankenkarussel geht noch lange weiter. Gedanken und Emotionen schleudern in mir hin und her, wie in einer Waschmaschine; linksrum, rechtsrum, rundherum, spülen, und wieder von vorne. Gut, dass es so viele Kurven und Kehren gibt, da läuft die Waschmaschine auch ohne Strom.

Im Straßen-darknet sind wir (noch) nicht angekommen - das gibt es hier in Frankreich vielleicht nicht so wie in Italien? Zumindest sagen das die Straßenkarten. Oder es besteht hier aus Schotterstraßen, die ich ja diesmal meiden möchte? Irgendwie ist der Wurm drin - jetzt führt die Strecke zurück Richtung Nizza? Ich fahre zwar gerne Zick-Zack und Schleifen, aber bitte nicht zurück in diesen Moloch. In meiner Verzweiflung zerschieße ich bei der Streckenkorrektur die Route und weise Balduin an, notfalls auch auf Hauptstraßen nach Norden zu halten. Dabei nehme ich in Kauf, dass wir eine längere kerzengerade Transferstrecke durchs Tal nehmen - langweilig. Die Belohnung dafür ist aber schon bald ein herrliches, herrliches enges Nebental mit super Straße und kaum Verkehr, das wir im Kurventakt entlangschwingen dürfen. Da werd ich wieder fröhlich! So langsam kehrt die Routine zurück. Nein, falsches Wort - der Rythmus kommt zurück.Nur Balduin ist beleidigt - er stellt sich ab und zu tot und scheint abends unter Gedächtnisverlust zu leiden, als ich die gefahrene Strecke anschauen will. Meine Meinungsverschiedenheiten mit Balduin halte ich von der Lisl fern. Die bekommt von mir (fast) immer eindeutige Anweisungen. Und die befolgt sie ganz brav und zuverlässig - ich liebe sie dafür!

Ich bin bestimmt kein besonders geselliger Mensch, die Einsamkeit ist mir lieber. Ein paar wenige aber gute Freunde habe ich dennoch, leider pflege ich die Freundschaften meiner Meinung nach nicht ausreichend. Die Basis jeder Freundschaft, das Geben und Nehmen, ist nach meiner Beobachtung nicht immer ausgeglichen. In Summe gesehen jedoch schon - ich bezeichne das als "Ringtausch". Man kann es auch so verstehen, dass man an einer Stelle Wasser in den See kippt und wonaders wieder was entnehmen kann.
In mein neues Weltbild, das ich mir seit ca. 1 Jahr zusammenzimmere, passen auch die folgenden Gedanken. Meine neue Welt hat sehr viel mit Schwingung zu tun und bedient sich an Modellen aus der Quantenphysik. Nicht dass ich mich dort auskennen würde (ich kenne vielleicht jemand, der jemand kennt, der das Wort schon mal gehört hat), aber solange mein Weltbild niemand stört, tut es mir gut.
Ich sitze auf meiner treuen Lisl, muss nicht wissen, wie die Straße oder der Pass gerade heißen, muss nicht wissen, wie der Zustand der nächsten Straße ist, darf nur sitzen und die Fahrt genießen! Ist das nicht herrlich? Die Lisl schwingt durch die unendlichen Kurven. Wenn man unser Treiben aus dem weiten Universum betrachten und das Schwingungsmuster analysieren würde, wem würde diese Schwingung dann was bedeuten? Vielleicht sind wir ja das Wiegenlied, das Irgendetwas Irgendwem vorsingt? Der Gedanke gefällt mir! Ich weiß, ich spinne gerade total, aber Leute, es macht Mega-Spaß!


Eine Konditorei - sozusagen mitten auf der Straße? Da ist kein Vorbeikommen. Zumal auch schon etliche Motorräder vor der Tür stehen. Eine Cola soll mir helfen, die Augen offen zu halten, der Rest ist Seelenfutter. Die Strafe für meine Völlerei folgt auf dem Fuße - das Magenzwicken auf dem weiteren Weg habe ich selbst verursacht.

Manchmal scheint es, als hätten die Berge eine Frisur.

1460 m, 29 Grad, eine gemähte Wiese auf der Höhe, tolles Panorama und kein Trubel - der perfekte Übernachtungsplatz. Ein Pass ohne Namen? Egal... Mit dem Zeltaufbau warte ich allerdings noch ein wenig, damit keiner auf die Idee kommt, mich zu verscheuchen. Die einzigen Menschen hier sind ein älteres Ehepaar mit Hund. Die Frau wartet schon auf die Abfahrt, den Hund hat sie bereits verstaut. Der Mann erzählt sehr lautstark bestimmt seine ganze Lebensgeschichte dem Telefon - oder eer rettet gerade die Welt. Die ganze Bergwelt hört zu - schade daß ich kein Französich kann. Warte ich halt geduldig, bis er fertig ist. Der Fuchs, der am anderen Ende in aller Gemütsruhe die Wiese kreutzt, hat auch so lange gewartet.



Nizza - Col de Vence - Utelle - Col du castel Gineste - La Tour - Tineé - Valberg - Col des Champs...

Dienstag, 20. August 2019

Nizza

Perfekt! Ich habe super geschlafen (abgesehen von ein paar quälenden Gedanken), die Temperatur auf 1400 m Höhe ist mir auf den Leib geschneidert. Ich bin gesund und hab wieder Energie! Ein Schaf, ein Radfahrer, ein Auto. Der "junge" Mann, der gestern abend hier vorbeikam und am Kirchenfenster gebetet hat, wandert jetzt wieder ins Tal. Er ist schätzungsweise gute 40 und ist wohl behindert. Er macht einen zurückgebliebenen Eindruck und hinkt, er ist sehr schüchtern. Aber heute morgen traut er sich und fragt mich nach der Zeit. Ein Polizeitauto - es fährt vorbei, die Männer würdigen mich nicht eines Blickes. Nach einiger Zeit kommen sie zurück - auch dann bin ich keinen Blick wert. Ok, so hab ich meine absolute Ruhe. Der Hund schleicht in immer kleineren Kreisen um mich herum.

On the road again - wenn man das "road" nennen kann. Aber das sind meine Lieblingswege. Ein Genuß!
Alles muss man selber machen! Balduin kann sich mal wieder nicht entscheiden und schlägt mir 2 Alternativen vor! Muss ich das Orakel befragen? Ich entscheide mich für Balduins Vorschlag, ich vermute, er benutzt eine Straßenkategorie höher. Etwas breiter, deutlich besserer Belag, immer noch sehr kurvig. Unser Schnitt steigt rapide um ca. 10 km/h und die Kurvenlage wird etwas schräger. Eine Abzweigung hab ich mal wieder verpennt, aber dafür springt mich eine Tankstelle an - exakt jetzt war das nötig! Ist das nicht wunderbar?

Plötzlich passiert es - ich höre leise ein krächzendes Hupen, da steht er schon vor mir! Der rote Kleinwagen, der weiter links nicht hätte fahren können. Die Kurve ist breit genug für 2 Autos, aber er fährt auf der linken Innenkante! Glückliserweise sind wir ja beide nicht schnell - eine Vollbremsung, dann suche ich mit dem rechten Fuß Halt am Felsen. Wenige Zentimeter trennen uns nur. Der Typ schreit wild durch die Gegend, schlenkert kurz nach rechts und verdrückt sich. Ist ja nochmal gut gegangen.

Was soll ich weiter erzählen, die Sträßlein sind weiterhin so winzig klein, mit so marodem Asphalt und so unendlich vielen Kurven und Kehren wie die letzten Tage! Rauf und runter, rüber und nüber. Unsesentlich schneller als Schritttempo - daher dauert es auch schrecklich lange, bis die vorhergesagten 150 km abgespult sind.
Monte Carlo ist ein Graus! Bislang ist es uns ja recht gut gelungen, dem Verkehr aus dem Weg zu gehen, aber jetzt müssen wir hinein in's Gewühl. Ich habe es mir allerdings schlimmer vorgestellt - was habe ich da in Erinnerung? Ich denke mal kurz an peruanischen Verkehr und schalte um auf "wer zögert hat verloren". Bis Nizza kommen wir allerdings nicht mehr aus den Häusern heraus. Nahtlos geht ein Ort in den anderen über und plötzlich bin ich in Nizza!
Balduin kennt angeblich meine Unterkunft. Ich passe auf wie ein Luchs, daß ich ihm brav folge. Zum Schluss biegen wir in ein Gässchen ein, in das bestimmt kein Auto hineinpasst. Es gibt auch nirgends ein Plätzchen für die Lisl. Also stelle ich sie irgendwo an der nächsten Hauptstraße auf dem Bürgersteig ab und mache mich zu Fuß auf die Suche nach "open house". Ich laufe bestimmt 3 mal dran vorbei, bevor ich jemanden finde, der mir erklärt, es wäre genau in dem Haus, vor dem ich stehe. Zufällig öffnet jemand die vergitterte Tür u nd schickt mich eine schmal Treppe hinauf in den 2.Stock. Auch hier muss ich erst 2 mal nachfragen, bis ich die richtige Tür finde. Dann öffnet mir ein nettes Mädchen, erkklärt mir alles und zeigt mir das Zimmer. Gebucht hatte ich ein Bett im 4-Bett-Schlafsaal mit Gemeinschaftsbad. Bekommen tu ich ein Zimmer mit einem Stockwerkbett und eigenem Bad. Außer mir ist noch niemand da, also erledige ich erst die Wäsche und dann wird geduscht!!! So, jetzt bin ich wieder hübsch! Für kurze Zeit.

Auf zur Strandpromenade und zum Yachthafen. Bis ich dort bin, bin ich schon wieder völlig verschwitzt. Ich sitze im Cafe, eine Frau etwa meines Alters, fährt mit dem Rollerchen vor, verstaut ihren Helm und nimmt ihr Handtäschen. Aber dann! Dann packt sie unterm Sitz eine Kette hervor, die vermutlich einen Schiffsanker halten sollte. Damit bindet sie ihr Gefährt am Geländer fest. Ha ha...

Treffe mich nachher mit einem Freund...

Nizza