Montag, 26. August 2019

Wünsche an das Universum

Irgendwelche Tiere haben sich gestern abend in der Dunkelheit angeschlichen, aber das Licht meiner Taschenlampe hat sie schnell in die Flucht geschlagen. Es war allerdings nicht hell genug, zu erkennen, welche Sorte Tiere das war. Am Morgen finde ich eine Unterhose nach dem Trocknen nicht mehr. Da hat man schon sooo wenig dabei und selbst dann gelingt es einem, Dinge zu verschlampen. Schande! Na ja, ich bin doch noch luxuriös unterwegs, ich habe 4 Stück davon dabei - also immer noch eine auf Reserve.
Über mir höre ich den singenden Flügelschlag von kreisenden Vögeln.
Ich muss mich nochmal über die Routenplanung hermachen, das wird eine Zeit dauern - bis um 11 Uhr!!! (ich habe ja Urlaub) Balduin dankt es mir leider nicht - er ist heute dickköpfig und will immer anders fahren als ich.

Die Berge sind hier wiede höher, daher gibt es nicht so viele versteckte Sträßchen. Wir müssen die üblichen Straßen und Pässe nehmen. Erstes Ziel ist der Col de Roselend. Der liegt zwar überhaupt nicht in unsere Richtung, aber den habe ich mir in den Kopf gesetzt. Der Abstecher dürfte etwa 20 km ausmachen. Die Entscheidung ist richtig - wir kommen an einem riesigen, wieder mal so toll türkis strahlenden Bergsee vorbei und erklimmen den Pass. Immer wieder passieren wir Restaurants oder touristische Plätze. Oben auf dem Pass ebenfalls ein großer Parkplatz, ein Souvenier- und ein Käsestand. Alles was schön ist, wird von den Touristen heimgesucht. Ok, ich bin auch einer..., wäre aber schöner, wenn ich der Einzige wäre! Die Welt wird einfach viel zu klein.  Meine Tante ist vor über 60 Jahren mit der Lambretta über die Alpen gefahren, da war es sicher viel eisamer - danach sehne ich mich! Wenn ich könnte, würde ich gerne eine Zeitreise dorthin machen; ich würde mich sogar auf einen anderen fahrbaren Untersatz einlassen, obwohl ich die Lisl schon sehr liebe!

Für den Rückweg finde ich einen kleinen Umweg über Areche - ein niedliches kleines Paßsträßchen (Wohnmobile verboten!), das noch einmal herrliche Ausblicke auf den See bietet. Ganz nach unserem Geschmack. Zurück in Beaufort lacht mich wieder mal ein Bäcker an - die Kuchentheke ist leider nicht zu übersehen. So decke ich mich mit Quiche und einer dicken Meringe ein und bestelle in der Bar nebenan eine kalte Cola.
Beim verstauen des gekauften Brotes taucht die verschwunden geglaubte Unterhose wieder auf, in einem Zwischenfach des Tankrucksacks. Wußte ich es doch - ich habe nichts verloren!

Back on the road. Schöne Kurven, Kürvchen, Kehren und Serpentinen. Die Kurvenradien gehen von "andeutungsweise" bis "größer 180 Grad" - ist das nicht herrlich? Mal schnell, mal langsam. Mal rund, mal eckig. Flach oder steil. Da wird es uns nicht langweilig! Wir müssen immer auf Überraschungen gefasst sein, jederzeit brems- und reaktionsbereit, mal in Schräglage, mal aufrecht sitzend die Lisl auf die Straße drücken. Ganz kurz erhasche ich einen Blick auf schneebedeckte Gipfel, dann ist es schon wieder vorbei.

Willkommen in Cluses, einer Stadt im Tal, östlich von Genf. Eben eine Stadt. Natürlich gibt es hier was zu kaufen, oder? In den Skidörfern gibt es jede Menge Hotels und Restaurants aber keinen einzigen Lebensmittelladen! Ski- und Radgeschäfte en masse. Und Häuschen zum wohnen. Es sind nette Holzhäuschen, am Holz kann man ihr Alter erkennen. Nur wenige tragen schon Patina, es scheint so, als ob jährlich welche hinzukommen und es wird auch weiterhin gebaut. Also nichts mit Obst und Gemüse kaufen. Aber hier in der Stadt bestimmt! Entweder bin ich zu blöd, oder die Geschäfte verstecken sich zu gut in der Fußgängerzone? Auf jeden Fall ist das einzige was ich finde, ein Lidl! Na gut, Tomaten, Gurke, Nektarinen und ein Stück von dem guten Camenbert bekomme ich auf jeden Fall. Der Motorradanzug klebt am Körper bei 33 Grad,  es ist so schwül...ich brauche wieder Fahrtwind. Und die Lisl braucht auch was zu futtern. Voila! Eine Tankstelle! Auf's Wort! Fertig gerüstet für die Berge, auch wenn es schon Richtung Spätnachmittag geht.

Gedanken an einen Übernachtungsplatz...es wäre schön, wenn da mal eine Quelle in der Nähe wäre. Wünschen darf man ja. Ich habe heute nicht sehr gut auf mich geachtet, viel zu wenig getrunken und zur Strafe tut der Hintern weh.

Balduin, Balduin, wenn Du so weitermachst, geb ich Dich bald zum alten Eisen! Er lockt mich auf eine relativ große Straße. Ja, sie hat schöne Kurven und Platz genug um sie auszufahren, auch bei Gegenverkehr. Aber in den allerschönsten Momenten hast Du so eine Schnarchnase vor Dir, der eine lange Schlange von diesen Blechkisten hinter sich herzieht. Keine Chance, zu überholen. Meist schleichen diese Säcke ohne zu schauen aus irgendwelchen Einfahrten, setzen sich einfach mitten auf die Straße und popeln dort so mit 30-50 vor sich hin! Wieder in eine andere Einfahrt abbiegen? Nix da - die bleiben! Und dann war es auch noch die falsche Straße, Balduin! Ich könnte zwar weiterfahren, bin schon fast am übernächsten Wegpunkt, aber ich wollte eigentlich eine andere schöne, kleine Paßstraße fahren. Dann war das eben ein Abstecher und ich fahre die 10 km zurück. Kein Probelm.

Diese Ortschaft Samoens ist schrecklich. Die Durchgangsstraße ist gesperrt, anscheinend dauerhaft. Die Umgehung ist nicht ordentlich ausgewiesen, und die Abzweigung, die ich suche ist unerreichbar. Bestimmt 5 mal durchfahfe ich die Ortschaft in immer engeren Kreisen. Jedesmal ende ich irgendwo an einem Einbahnstraßenschild, einer Hofeinfahrt, einer Mauer oder zu guter Letzt - als ich schon so gut wie an der richtigen Ausfahrt war - an Pollern, die die Fußgängerzone absperren. Es ist zum Mäuse melken. Oder zum Saufen. Denn ich entdecke ein Einbahnstraßenschild, unter dem "sauf irgendwas" steht. Leider habe ich keine Flasche Wein dabei. Aber ich meine mich zu erinnern, dass "sauf" sowas wie eine Ausnahme ist - das bin ich! So lande ich im Kirchhof. Da kann ich zwar durchfahren, lande aber wieder an der Fußgängerzonen-Sperre! Grrr!
Balduin hat aufgegeben und sich abgeschaltet. Da muss dann eben der Kurven-Navigator wieder ran. Ich nutze ihn nicht mehr, weil er einerseits ohne Empfang in den Bergen hilflos ist und andererseits mehr Strom frisst, als die Lisl nachladen kann. Aber jetzt muss er kurz helfen - tut er auch. Klasse, wir sind auf dem richtigen Weg! Es ist eine Nebenstrecke zum Col de Joux Plane, was auch immer das heißt. Ich hoffe hier auf ein Schafplätzchen. Aber die Wiesen sind steil! Eine kleine Nebenstraße wird erkundet, davon zweigt wiederum ein kleines Sträßchen als Sackgasse ab. Mal schauen, ob hier vielleicht ein Wiesenabsatz zu finden ist?

19:15 Uhr. Jetzt sitze ich in der warmen Abendsonne auf einem "Steinbänkchen", angelehnt an den Brunnentrog, für den es die Trittstufe bildet. Er gehört zu diesem verlassen aussehenden Hof, zumindest war schon seit Wochen niemand mehr hier und alles ist gut verriegelt. Auch am Nachbarhaus. Die Straße endet hier, also gehe ich mal davon aus, dass ich heute ungestört bleibe. Die Gelegenheit nutze ich: Haare und Körper waschen, auch einen großen Teil der Wäsche. Zum trocknen ziehe ich sie wieder an und setze mich eben in die Sonne. Die Socken hängen über Lisls Spiegel-Ohren. Jetzt geht's mir wieder gut, das habe ich doch verdient, oder? Das mit den Wünschen an's Universum klappt ja immer besser!
Als die Sonne in Minutenschnelle hinter den Bäumen verschwindet, muss ich dann doch die noch feuchten Sachen austauschen gegen "was Warmes". Zum Schlafen habe ich ein Holzbänkchen vor einem kleinen Holzspeicher ausgewählt, eine Art zweistöckiges Mini-Gartenhaus; dann muss ich das Zelt nicht aufstellen.

Col de Roselend - Col des Saisies - Col de la Croix Fry - Col de Joux Plane

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