Freitag, 16. August 2019

Rauf und runter

Das Gewitter gestern war heftig, so richtig dicht war das Zelt nicht. Gegen Mitternacht hat es zwar aufgehört, aber das Zelt wird nicht trocken, solange keine Sonne darauf scheint. Meine erste Tätigkeit morgens um 8 ist, es abzutrocknen. Möglichst schnell packe ich Schlafsack und Isomatte ein und räume das Zelt leer. Mein "Versteck"  hinter der Sitzgruppe war vorteilhaft. Gestern abend hat die mit Blaulicht patroulliernde Polizei mich anscheinend nicht gesehen, genausowenig, wie eine vorbeigehende Politesse am Morgen. Jetzt kommt sie mit dem Auto wieder, um die Straße zu sperren. Dummerweise stehe ich mit der Zahnbürste im Mund direkt vor ihr und da kapiert sie: hier darf man nicht schlafen!!! in 1 Sekunde ist das Zelt abgebaut! Ja ja ja....  Ich weiß, es ist ganz schön dreist, im Stadtpark übernachten zu wollen, aber Frechheit siegt - ich habe gut geschlafen. Zur Strafe muss ich halt das Zelt naß einpacken, auch mein Pullover ist noch nicht getrocknet.
Erst gegen halb 10 lugt die Sonne über den Bergkamm. Die Wiese fängt umgehend an zu dampfen. Ich genieße mein Frühstück, führe noch meine Sing- und Gymnastikübungen durch und breche dann auf. Ich habe ja schon den ganzen Morgen die Autoschlange gesehen, die sich bergwärts qält. Das mir angebotene Sträßchen ist leider ein Rad- und Wanderweg, also muss ich wohl oder übel auf die Straße. In meine Richtung läuft's aber. Zu früh gefreut! Schon nach wenigen Metern stehe auch ich im Stai. Todesmutig quetscht sich die Lisl manchmal zwischen Bussen und Wohnmobilen hindurch, nur um 5 m weiter wieder stecken zu bleiben.Ich komme ordentlich in's Schwitzen. Schließlich ist meine Kleidung auf "Bergstraße fahren" ausgelegt und nicht auf "Stau stehen im Tal". Ich hasse es! Für die ersten 10 km brauchen wir knapp 45 min!

Endlich findet sich ein Schlupfloch in die Berge - klein, einspurig, kurvenreich! Auf, in Richtung Passo Campolongo. Der Verkehr ist mößig, an den Seilbahnstationen staut sich natürlich alles. Aber dazwischen habe ich oft freie Fahrt. Achtung, ein Rehkitz!
So langsam mache ich mir Sorgen um Lisls Futter - wir haben schon lange keine Tankstelle mehr gesehen. Den Verbrauch (7,8l) darf ich hier wohl nicht auf km umrechnen, sondern eher auf Betriebsstunden. Mein Navi ist schlau, es findet eine Tränke für die Lisl. Der Preis ist sogar günstig mit 1,61 €. Gestern sah ich Tankstellen mit 1,77 €. Es gibt einen Geldautomaten, leider sonst nichts. Ich bräuchte mal eine Toilette.

Nein, wir haben uns nicht verfahren. Der Abstecher hinter dem Passo Negro war geplant. Mein Routenplaner hat mir hier eine nette kleine Rundtour angeboten. Seiser Alm? Der Name kommt mir bekannt vor, aber auf halber Strecke biegen wir von der Hauptverkehrsstraße ab.Die ersten Weinberge tauchen auf.
Ein schmaler steier Weg (28%) führt den Berg hinauf - ja, das ist was für uns! Das ist unser Ding! Toller Ausblicke, einsame Kurven. Hinter einer Kurve erscheint plötzlich ein großes Schloss. Der Ort heißt "Prösels" und der "Pulverturm" ist angeschrieben. Nach einiger Zeit kreuzen wir die Hauptstraße. Der Weg führt steil hinab in's enge Tal. Der Wald umschließt die Straße von allen Seiten, es fühlt sich wie ein Waldtunnel an. Endlich unten angekommen, ist die Straße geradeaus gesperrt - sie ist vermutlich abgerutscht. Der Lotse führt uns zur einzigen nicht gesperrten Abzweigung. Das Sträßchen wird immer enger und abenteuerlicher. Ob das wirklich hinausführt? Leider nein - wir enden in einem Bauernhof. Nun müssen wir den ganzen herrlichen Weg zurück. An der Einmündung zur Hauptstraße steht ein Schild, darunter blüht Kapuzinerkresse. Da vernasche ich doch gleich mal ein paar Blüten - vielleicht hilft die antibiotische Wirkung ja gegen meine Halsschmerzen?
Etwas weiter unternehmen wir noch einen Versuch. Es ist ein kleiner Umweg zur Hauptstraße. Nett.In dem kleinen Ort gibt es einen Brunnen - genau richtig, um meinen Wasservorrat wieder aufzufüllen und einen Schluck aus der anhängenden Tasse zu nehmen. Angeblich fahren wir jetzt in eine Sackgasse - ein entgegenkommender Bauer auf einem 3-rädrigen Minitraktor schüttelt den Kopf. Ich bin hartnäckig. Am Ende ist der Weg über 12 t gesperrt, aber das gilt ja nicht für uns. Ganz steil mündet er dann doch wieder in die Hauptstraße. Zeit, die lange Unterhose auszuziehen. Und - die Leitplanke über dem Abgrund eignet sich hervorragend als Donnerbalken....
Aufgrund der Straßensperre müssen wir nun den ganzen Weg zum Nigerpass zurückfahren. Aber schöne Strecken fährt man ja gerne auch mehrmals rauf und runter?
Nächstes Ziel ist der Lavazzo Pass. Die Straße ist gesperrt, aber die Umleitung ist so herrlich, alleine diese Strecke hat sich schon gelohnt. Der Pass selbst ist ganz anders als die bisherigen - er ist recht flach und hat sanft begrünte Wiesen, die zum ausruhen und hinliegen einladen. Mittendgegendrin liegt ein kleiner Weiher, in dem anscheinend Fische gezüchtet werden - Touristen dürfen hier angeln. Auch für die Kinder gibt es Attraktionen, ein netterr Spielplatz bietet für jeden etwas an. Ich mache hier eine kleine Mittagspause und gönne mir was zu essen.



Rauf und runter führt unsere Strecke heute. Egal, wie ich mich anziehe, es ist immer verkehrt. Mal zu warm, dann wieder zu kalt. Wir verlassen so langsam die krasse schroffe Felsgegend, die Landschaft wird lieblicher und weiter, die Straßen breiter mit langen, gut einsehbaren Kurven. Die verleiten sehr zur Schräglage; manchmal erwische ich mich, wie ich die Lisl ziemlich tief sinken lasse. Wir folgen einem breiten Fluss und passieren strahlend türkisblaue oder tiefgrüne Seen und Tümpel. Der gößte See hießt wohl "Lago die Caldonazzo".


Heute höre ich früher auf. Ich bin müde und ich fürchte, auf der vor mir liegenden Strecke werde ich kein schönes Zeltplätzchen finden. (Wir sind Richtung Trient unterwegs.) Da lockt die Einfahrt zu einem Weinberg. Ein grasbewachsener Schotterweg führt einmal ausßen herum und mündet in einem großen, fein gesplitteten Hof. Eine große Maschinenhalle steht dort. Davor etwa 1 m Betonstreifen und ein Bänkchen. Ich glaube, da bleib ich! Hoffentlich will heute oder morgen niemand mehr hier arbeiten.
Vor allem das Zelt muss trocknen. Ich möchte es eigentlich nicht aufstellen, sondern auf dem Bänkchen schlafen. Es ist ziemlich schmal, aber ich werde es versuchen. Die verschiedenen Zeltteile finden Platz auf herumstehenden Maschinen oder dem Gerüst für die Weinreben. Die Lisl darf heute in's Schlafzimmer, ich stelle sie direkt neben der Bank ab.

Um 18 Uhr sitze ich auf "meinem" Bänkchen, die Füße hochgelegt, in der abendlichen Wärme. Ein leichtes Lüftchen hilft, das nasse Zelt zu trocknen. Vom Tal dringen leise Geräusche herauf: Verkehrsrauschen, Hundegebell, entfernte Stimmen. Die Trauben wachsen mir praktisch in den Mund - sie sind zwar klein, schmecken aber schon süß. Über mir zieht singend ein Segelflieger seine Kreise. Luxus pur!

Campolongo - Nigerpass - Karer Pass - (Seiser Alm) - Lavazzo-Pass - Passo di Pramadiccio

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