Samstag, 17. August 2019

Erinnerungen

Ich habe sehr gut geschlafen auf meiner Parkbank! Angenehme Temperatur und keine Störenfriede. Sehr gemütlich geht es heute morgen zu - ich bin zwar schon um halb 8 Uhr wach, aber bis ich aufbreche ist es fast 10 Uhr. Abwärts in's Tal, unter der Autobahn durch auf Nebenstraßen. Durch Weinberge und Apfelplantagen. Die strahlen ja in einem tollen knallrot!!! Da muss ich glatt anhalten und 2 Äpfel stibitzen.
Schon bald geht es auf der anderen Talseite wieder hoch hinauf nach Lago di Cei - allerdings sehe ich dort keinen Lago; weiter auf herrlichen kleinen, kurvigen Sträßchen zum Passo di Bordala. Hordenweise lasse ich deutsch Motorradfahrer im Rennstil gerne überholen. Meine Kurvenlage ist heute eher eckig. Es fehlt am Hüftschwung. Ja natürlich - ich habe ja die Morgengymnastik vergessen. Aber da ist auch kein Hüftschwung dabei - vielleicht sollte ich den noch einbauen?

Erneut müssen wir aus dem Tal aufsteigen. Fast wären wir auf die Autobahn geraten, aber im letzten Moment zweigt ein Nebensträßchen ab. Und davon wieder ein Nebensträßchen....wir krabbeln zwischen den Weinbergen schrecklich steil in die Höhe. Die seitlichen Mauern erlauben keinen Gegenverkehr! So geil!!! Im ersten Gang mit unter 20 km/h klettert die Lisl das holperige Wirtschaftswegchen hoch. Juhuuu! Nach und nach werden die Straßen wieder breiter, wir nähern und von Norden Rovereto.
Monte Baldo steht da angeschrieben. Tatsächlich, der steht als nächstes auf dem Programm. Irgendwas klingelt bei mir, ich weiß nur noch nicht was. Erst als mein Navi einen Feldweg senkrecht den Berg hinauf vorschlägt, anstatt der serpentinenreichen guten Straße, dämmert es mir. Aber zuerst beschließe ich, die Kommunikation mit meinem Navi zu verbessern. Vielleicht hilft es, ihm einen Namen zu geben? Balduin? Weil wir grad am Monte Baldo sind. Ja, das klingt gut - ich werde künftig Balduin zu dir sagen. Ich meine mich zu erinnern, dass ich vor ziemlich genau 30 Jahren hier ein Endurotraining mit Christoph del Bondio gemacht habe. Die Lisl war noch ganz jung! Das Training ging nicht nur über unbefestigte Gebirgswege sondern mitten hinein in Geröllfelder! Ja, so war er , der Christoph. Letztes Jahr ist er leider in einer Schlammlawine ums Leben gekommen. Herrliche Kurven, sehr enge Straße und mickrige in den Fels geschlagene Tunnelchen. Wir müssen besonders achtsam und konzentriert sein.

Langsam müssen wir die Berge verlassen. Balduin findet im "darknet" immer wieder befahrbare Landwirtschaftswege. Bei ca 36 Grad am Samstag nachmittag sind die Straßen wie leergefegt. Nur die Blechlawine der Urlauber brät auf der Autobahn nach Norden vor sich hin. Ein paar Städte können wir leider nicht umfahren; Affi und Peschiera - ein schrecklicher Touristenort am Südenede des Gardasees. Momentan funktioniert die Zusammenarbeit von Balduin und "kurviger.de" recht gut. Das Internetprogramm legt eine kurvenreiche Strecke fest und Balduin muss deren Wegpunkten folgen. Zuverlässig zeigt er alle Abzweigungen an und lotst mich durch die Stadt. Vor mir zieht ein Busfahrer aus der Haltestelle, nur um mitten auf der Straße sofort stehen zu bleiben, damit er sich mit seinem Busfahrerkumpel im entgegenkommenden Bus unterhalten kann -  ts ts ts.



Nun sind wir endgültig raus aus den Bergen. Topfeben liegen Äcker und Maisfelder da, zur Abwechslung bekommen wir eine kleine Dusche von der Maisfeldbewässerung. Es ist schrecklich! Nicht meine Landschaft! So öd und fad wie im Donaumoos bei Ingolstadt. Kerzengerade Straßen - immerhin findet Balduin die abgelegeneren davon. Laaaangweilieg! Da kann man schon mal ins Dösen kommen und eine Abzweigung verpennen.
Teo hat leider abgesagt, er ist eine Woche auf Korsika. Ich war vor gut 5 Jahren mit ihm zusammen in der südlichsten Stadt der Welt - Ushuaia. Gerne hätte ich ihn mal wieder gesehen, aber es sollte wohl nicht sein. Ein anderer Weggefhährte meiner Panamericana Tour liest den Blog auch mit - hello Scotty! Auch wenn Teo nicht zu Hause ist, werde ich bei ihm vorbeifahren. Es ist kaum ein Umweg  und die Gegend verspricht  Berge und Kurven.

Ich habe schrecklichen Hunger. Keine Pizzeria, kein Restaurant, kein Supermarkt ist in Sicht bzw. geöffnet. Endlich zeigt sich eine belebte Tankstelle - zumindest hat es den Anschein. Im Kassenhäuschen sitzen Leute, aber es gibt dort außer Benzin und Scheibenwischerblättern nichts zu kaufen. Immerhin darf ich die Toilette benützen und meinen Wasservorrat wieder auffüllen. Dann muss eben ein Apfel dran glauben - wow, schmeckt der gut! Hätte ich noch mehr mitnehmen sollen?

Balduin hat mich betrogen! Er hat sich einfach ein eigenes Ziel ausgesucht und navigiert dorthin. Ich habe das nicht bemerkt, aber ich erinnere mich, dass er das manchmal tut. Ich muss also die Route neu laden und berechnen lassen. Zum Trost: die richtige Route wäre hier bestimmt auch nicht viel interessanter gewesen. Wir sind ca. 40 km zu weit nördlich. Balduin, ich will wieder in die Berge, raus aus dieser Öde! Aber auch nicht über den Wiesenweg, du Dummi! Cortemaggiore heißt die Ortschaft, die wir gegen 17 Uhr erreichen. Auf den ersten Blick zähle ich 6 Kirch- und 2 Wassertürme! Endlich erscheinen sie in der Ferne - die blauen Berge. Ich würde gerne heute noch bis dorthin kommen - ob wir das schaffen?  Unvermutet sind wir da - weite liebliche Hügel erheben sich um uns. Und schon dürfen wir wieder ein paar Serpentinen genießen.

Zeit für einen Übernachtungsplatz. Ein schlechtes Wegstück führt hinunter zu einer Furt. Leider steht der Bach stömungslos da - eine reine Schnakenzucht. Da werde ich nicht bleiben. Mühsam muss ich die Lisl in den tief ausgefahrenen Schlammspuren umdrehen, aber wir kriegen das hin. Noch ein Reh. Und dann werden wir fündig: auf einem Hügel hinter einer Brombeerhecke baue ich das Innenzelt auf, als Moskitoschutz.

Es gibt Reis mit Thunfisch. Die Nase läuft, ich bekomme schlimme Krämpfe, mein Hocker ist unter mir zusammengebrochen und die Tasche für's Kochgeschirr zerfleddert. Ich bin satt und müde und habe einen ruhigen Platz gefunden. zur guten Nacht läuten die Glocken im Nachbardorf ein schönes langes Liedchen.

Monte Baldo - Flachland...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen